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Celan und kein Ende ?
Möglichkeiten und Grenzen des "Umgangs" mit Person und Werk 1

Christine Ivanovic

"Celan und kein Ende" mag sich mancher Beobachter des sogenannten Literatur- oder Wissenschaftsbetriebs sagen angesichts der kaum mehr zu überschauenden und offensichtlich immer noch zunehmenden Flut an Veröffentlichungen, die Paul Celan gewidmet sind. Nicht wenige geben damit ihrem Mißmut wo nicht ihrem Unverständnis für die Intensität der Bemühungen um dessen Werk Ausdruck. Der stille Vorwurf "Celan und kein Ende" steht mit dem nicht immer offen ausgesprochenen Wunsch in Verbindung, mit einem bestimmten Bereich der deutschen Geschichte endlich abzuschließen. Gerade in dieser Hinsicht jedoch kann es, darf es, zumindest vorläufig, kein Ende der Beschäftigung mit Celan geben. Gleichwohl scheint ein kritisches Überdenken des in diesem Jahr bereits ein halbes Jahrhundert andauernden öffentlichen "Umgangs" mit seinem Werk wie mit seiner Person durchaus angebracht. Vor die interpretatorischen Bemühungen von Lesern, Kritikern und Wissenschaftlern haben sich nämlich immer wieder Interessen geschoben - und schieben sich nach wie vor -, die mir nicht legitim und dem Werk angemessen erscheinen und die auf eigentümliche Weise Person und Werk Paul Celans zu einem besonderen Phänomen innerhalb der deutschsprachigen Nachkriegsliteratur erhoben haben, an dem weit mehr verhandelt wird als dessen literarischer Kern ausmacht - und weit weniger als dessen historische Begründung es verlangte. Daß der Mensch Paul Celan letztlich an solcherart "Umgang" zugrunde ging, scheint manchem heute geradezu nebensächlich. An diesem - im Kontext wissenschaftlich-textorientierter Argumentation eher ungewöhnlichen - Begriff läßt sich jedoch zumindest ein Teil des Problems festmachen. Es ist eine im alltagssprachlichen Gebrauch allerdings ganz konventionelle Metapher; hier geht es um die Art und Weise, wie beide - Person und Werk - in der Öffentlichkeit wahrgenommen und behandelt worden sind und werden. Als Metapher bezeichnet der Begriff "Umgang" weit mehr als die in wissenschaftlicher Perspektive relevanten Aspekte Kritik, Edition und wissenschaftliche Analyse. Mit der Metapher wird immer ein über das eigentliche Bezeichnete hinausweisender Bedeutungsüberschuß markiert, wird ein affektives Moment, eine leichte Färbung wahrnehmbar. Im vorliegenden Fall verweist sie darauf, dass wir es in den zu besprechenden Rezeptionsvorgängen nicht nur mit Texten und ihrem Autor, sondern zugleich auch noch mit jenen Personen zu tun haben, welche mit "Celan" Umgang pflegen. "Umgang" kann, wie wir alle wissen, freundschaftlich-wohlwollend, aber auch bewusst verletzend ablaufen; der Begriff schließt also eine vorgängige Neigung und ein entsprechend vorgeprägtes Verhalten mit ein. Dieses - ganz und gar nicht einfach hermeneutisch zu erfassende - Vorverständnis entpuppt sich bei der Diskussion um Person und Werk Celans leider immer wieder als ein schlichtes Vorurteil, welches die Konzentration auf den Text nicht selten ablenkt und den Blick für die Analyse trübt.

Merkwürdigerweise findet der Begriff des "Umgangs" eine nicht unbeachtliche wörtliche Erwähnung im Werk Celans selbst. Das Gedicht Dein Hinübersein, das 1963 im Gedichtband Die Niemandsrose erschienen ist, endet mit den Versen:

Gott, das lasen wir, ist
ein Teil und ein zweiter, zerstreuter:
im Tod
all der Gemähten
wächst er sich zu.

Dorthin
führt uns der Blick,
mit dieser
Hälfte
haben wir Umgang. (I, 218)2


Aus der Lektüre, so rekonstruiert das Gedicht, ergab sich eine Erkenntnis, die lebensgeschichtliche Relevanz hat. Die Absage an die positiv affirmierbare Hälfte Gottes wird eingebunden in einen ästhetischen Prozeß - Wahrnehmung durch die Lektüre und daraus gefolgerte Zu-Wendung des Blickes -, welcher in das - nicht ohne blasphemischen Unterton formulierte - Statement mündet: "mit dieser/ Hälfte/ haben wir Umgang." Dem Zu-Wachsen des Göttlichen korrespondiert der menschliche Um-gang. Er resultiert aber aus dem menschlichen Untergang.

Die bewußte Entscheidung für den Umgang mit Gottes zerstreutem Teil ist unverkennbar historisch begründet. Hier scheint eine Bedeutungsdimension auf, welche mit dem landläufigen Sprachgebrauch nicht einfach zu kongruieren scheint. Sie erhellt ein wenig mehr, wenn man sich vom Begriff "Umgang" weiterführen läßt in das Wortfeld von "gehen", welches Celan in seiner 1960 anläßlich der Verleihung des Georg-Büchner-Preises gehaltenen Ansprache reich entfaltet hat. Dort ist vom Weg des Gedichts die Rede, ein Weg, den das Gedicht zum Anderen, zu einem Gegenüber zu gehen hat und der - im besten Falle - zur Begegnung führen kann. Das Sprechen des Gedichts wird dabei als Ansprache eines ihm gegenüberstehenden Du offenbar, es wird zum Gespräch. Celan findet in seiner Preisrede schließlich für diesen bewusst dialogisch entworfenen Zusammenhang von Gehen und Sprechen die Figur des Meridians: die den Erdball umgehende Umgangs-Linie, auf der sich verschiedene Linien berühren, begegnen, und deren Verlauf schließlich wieder zum Ausgangspunkt zurückführt. Der 'meridianhafte Umgang' ist in der Poetik Celans das zentrale Bild für die schicksalhafte Begegnung, welche das Gedicht ausmacht.

Ihr nachzugehen wird aber nicht weniger zur Aufgabe auch für den Leser. Es muß im "Umgang" mit den Gedichten Celans deren "Umwege" selbst gehen und selbst sprechend mitvollziehen. Die Ausführungen der Büchner-Preis-Rede zeigen damit auch, in welchem Maße der Sprechende dem Gedicht mitgegeben bleibt. Person und Werk in der Lektüre wie in der wissenschaftlichen Analyse voneinander zu trennen, erscheint von hier aus gesehen geradezu unmöglich; gleichwohl darf die Differenz zwischen dem Sprechenden im Gedicht und der realen Person Paul Celan nicht übersehen werden, darf eine Fixierung auf die biographischen Konstanten im Leben des Autors die Auseinandersetzung mit der ästhetischen Konzeption des Textes nicht überdecken.

An die Stelle einer Rekonstruktion des Bodensatzes der Lebensgeschichte von Paul Celan - die niemals ohne Zuschreibungen wie "jüdischer Dichter", "Ostjude", "Bukowiner Autor" oder "der Fremde", "der Erkrankte" auskommt - sollte eine Perspektivierung seiner historischen Erfahrung wie der Erfahrung seines Denkens als Grundlage seines Dichtens überhaupt treten. Das "traurige Schicksal" dieses Dichters, der nur wenige Jahre nach Kriegesende aus einer längst dem Vergessen anheimgefallenen Kulturlandschaft in die alles absorbierende Hauptstadt der europäischen Kultur des 19. Jahrhunderts, nach Paris, gekommen war, und der sich von dort aus mit der Nachgeschichte des europäischen Faschismus und der Gegenwart einer sich mit militanter Härte neu formierenden europäischen Nachkriegsgesellschaft konfrontiert sah, dieses "Schicksal" ist untrennbar vor allem von den Widrigkeiten der deutschen Geschichte. Von Celan zu sprechen, heißt, sich mit Kontexten zu konfrontieren, deren Erkenntnismöglichkeit sich nicht nur durch die eingeschränkte Kompetenz der germanistischen Philologie beschränkt sieht; von Celans Texten werden andere Anforderungen an die Erkenntnisfähigkeit seiner Leser gestellt. Sie schließen den während der in Bukarest verbrachten ersten Jahre nach Kriegsende versuchten Sprachwechsel zum Rumänischen ebenso ein wie eine umfangreiche übersetzerische Auseinandersetzung mit Poesie aus mehreren Jahrhunderten und sieben Sprachen. Zu den historischen wie kulturellen Kontexten treten noch überaus enge Bezüge zum Werk einiger 'Dichterfreunde' hinzu, von diesen möchte ich hier nur stellvertretend Ingeborg Bachmann, Nelly Sachs und Osip Mandelstam eigens erwähnen. Ein voraussetzungsloser einfacher "Umgang" mit den Gedichten Celans scheint also von vornherein ausgeschlossen. Ihre Lektüre ist untrennbar von einer umfangreichen Auseinandersetzung mit der deutschen Geschichte überhaupt; die Gedichte fordern ebenso nachhaltig wie unabweisbar eben jene nie abzuschließende Trauerarbeit, deren Ausbleiben Alexander Mitscherlich der bundesdeutschen Gesellschaft vorgehalten hat. Und sie finden von derselben Seite her ihre Ablehnung, ja oft unverhohlene Aggression.

Diese zunächst eher verhalten zum Ausdruck kommende Tendenz kulminierte im Verlauf der fünfziger Jahre mit dem wahnwitzigen Versuch der Witwe Yvan Golls, Celan des Plagiats am Werk ihres Mannes zu bezichtigen. Celan hatte Goll Ende der vierziger Jahre in Paris kennengelernt. Enthusiasmiert von der Erscheinung des jungen Dichters, hatte Yvan Goll, der damals fast schon im Sterben lag, Celan mit der Übersetzung seiner in französischer Sprache abgefaßten Gedichte betraut. Aus diesem nach dem Tod Yvan Golls abgeschlossenen Auftrag erwuchs Celan die zweite Katastrophe seines Lebens. Die Witwe Goll strickte ihm daraus einen die Öffentlichkeit bis Anfang der sechziger Jahre beschäftigenden Plagiatsvorwurf, der ebenso unhaltbar wie folgenreich blieb. Claire Goll rühmte sich später, in ihrem Leben drei Menschen umgebracht zu haben, darunter ihre Mutter und Paul Celan. Deutlicher, als man das in der seriösen Forschung zu erfassen vermochte, hat sie damit selbst die Konsequenzen ihres Handelns für Celan formuliert. Hier nun verknüpfen sich aufs engste - beängstigend und beengend zugleich - Werkgeschichte und Lebensgeschichte mit der Geschichte eines öffentlichen "Umgangs" mit Person und Werk, über dessen Qualitäten und hintergründige Motivationen sich dieselbe Öffentlichkeit erst noch Rechenschaft ablegen muß.

Bezogen auf die Werkgeschichte Celans erweist sich die Diskussion geradezu als Zerrbild seines Bemühens um die deutsche Sprache nach dem Holocaust. Dem verleumderischen Wort, von dem eine gewisse Initialwirkung auf weitere Kritiker ausging, die sich den Vorwürfen anschlossen, suchte Celan selbst das in zunehmender Verzweiflung gesprochene Wort seines Gedichts entgegenzuhalten. Mit dem Plagiatsvorwurf sah er die Integrität seines Gedichts und seiner Person in Frage gestellt. Die Negation der Authentizität des Sprechens seines Gedichts erfaßte er als symbolische Auslöschung der eigenen Existenz. Er erkannte hierin die Reaktion gerade jener, welche sich der Erfassung von Celans Verfahren der Aufdeckung der tötenden Kräfte der deutschen Sprache gleichzeitig verschlossen. Denn gerade dem Bemühen von Celans Dichtung, das katastrophale Geschehen des Holocaust in seiner sprachlichen Dimension zu erfassen und in derselben deutschen Sprache jenes aufhebende, weil in die Erinnerung rettende, Gegenwort aufzuspüren, diesem Bemühen wird als komplementäres Gegenstück eine sprachlich vollzogene Extermination Celans entgegengehalten, an der weit mehr Sprecher beteiligt waren als die Witwe Goll. Die dadurch zum "Fall Celan" gewordene Diskussion schwankte zwischen oft klar antisemitisch grundierten Invektiven und einem meist hilflosen Plädoyer für den diffamierten jüdischen Dichter, der dadurch erst recht auf die Anklagebank gerückt wurde. Gerade seinen Verteidigern blieb der Vorwurf Celans nicht erspart, ihn dadurch erst eigentlich zum Juden, zum Außenseiter, zum Schuldigen gemacht zu haben. Eine eigens eingesetzte Untersuchungskommission der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung suchte schließlich eine Klärung herbeizuführen. Zu diesem Zeitpunkt hatte die tiefe innere Zerrüttung des Menschen Paul Celan jedoch schon einen katastrophalen Verlauf genommen.

Von Anfang an und bis zu seinem durch den Freitod im Jahr 1970 herbeigeführten bitteren Abbruch sind Person und Werk Celans über das gewöhnliche Maß hinaus aufs engste miteinander verknüpft. Beide unterliegen (im wahrsten Sinne des Wortes) schon früh - seit der Lesung Celans beim Treffen der Gruppe 47 in Niendorf 1951 - spezifischen Umgangsformen, welche die weitere Rezeption prägten und welche nicht wenig in den Gedichtentstehungsprozeß hineinwirkten. Celan reagiert in seinen Gedichten meist verdeckt, aber doch dezidiert auf diesen "Umgang" mit seiner Person wie mit seinem Werk. Wie die historische Erfahrung des Holocaust schreibt er diesen am eigenen Leibe wie am Körper seines Gedichts erfahrenen Tötungsversuch durch eine verleumderisch mißbrauchte Sprache diesem seinem Werk wieder ein. Beide Erfahrungen scheinen sich komplementär zueinander zu verhalten, es sind Kehrseiten einer Medaille. Celan versucht sie - zugleich mit seiner Wunde - offenzulegen und daraus dennoch ein anderes Sprechen innerhalb derselben Sprache zu konstituieren. Es gehört mit zur Tragik dieses Dichters, dass entgegen der von ihm gesuchten Offenheit in der Rezeption seines Werkes Stereotypen der Dunkelheit, der Hermetik, der Artikulation unüberwindbarer Verständnisschwierigkeiten dominieren. Dieser abweisenden Lektüreerfahrung der Mehrheit seiner Leser steht eine erstaunlich große Resonanz auf dem Buchmarkt und im sogenannten Literaturbetrieb gegenüber, eine Resonanz, die angesichts der Schwierigkeiten, die seine Gedichte dem Verständnis entgegensetzen, keineswegs einfach zu erklären ist.

Kaum ein deutschsprachiger Autor des 20. Jahrhunderts kann eine solche Vielzahl an Werkausgaben und wissenschaftlichen Untersuchungen vorweisen wie Paul Celan. Sein Œuvre umfaßt fast ausschließlich Lyrik; dazu kommen wenige kleinere poetologische Texte sowie ein umfangreiches Übersetzungswerk. Es handelt sich also um ein Werk für die schmale Klientel von Liebhabern moderner Lyrik, ein Werk, dem zwar europäischer Rang weit über die Grenzen der deutschen Sprache hinaus beschieden wird, dessen Präsenz im deutschen kulturellen Bewußtsein gleichwohl als äußerst begrenzt eingeschätzt werden muß. Untrennbar mit Celans Namen verbunden ist lediglich die "schulbuchreif gedroschene" Wendung "der Tod ist ein Meister aus Deutschland"; Celan hat dies später mit Bitterkeit vermerkt. Ob er glücklicher gewesen wäre zu erfahren, dass die Todesfuge unterdessen im schmalen Lektürehaushalt der jüngeren Generationen überhaupt nicht mehr vorkommt, mag dahingestellt bleiben.

Trotz der überaus intensiven Editionstätigkeit und einer breit angelegten wissenschaftlichen Erarbeitung seines Gesamtwerkes, wie sie sonst nur Klassikern zuteil wird, ist die Lyrik Paul Celans weit davon entfernt, wie etwa das wohl kaum weniger komplexe Werk Goethes als Allgemeingut deutschsprachiger Bildung gelten zu können. Celan-Lesern haftet der haut gout eines esoterischen Lyrikverständnisses an. Die Beschäftigung mit dem zum Dichter des Holocaust gestempelten jüdischen Autor trägt zudem den für viele unangenehmen Beigeschmack des schlechten historischen Gewissens; nicht selten wird die Berufung auf Celan zum Schutzschild für eine nicht vollzogene historische Reflexion. Dabei schlägt die eigene innere Befremdung auf seiten der Leser nicht selten um in die Stilisierung Celans zum Fremden, der niemals in Deutschland gelebt und doch ausschließlich in deutscher Sprache gedichtet hat; der Begriff des Fremden wird zum Leitbegriff noch in Wolfgang Emmerichs Ende der neunziger Jahre in einer bekannten Reihe erschienenen Monographie.3 Indem er Autor und Werk damit erneut in die Ferne rückt, zementiert er einmal mehr die Unmöglichkeit Celan zu verstehen; es ist dies ein fest ansitzendes Klischee, welches die Diskussion seiner Gedichte von Anbeginn unausweichlich begleitet hat, ein Klischee, welches, ohne daß Emmerich dies intendiert hätte, einmal mehr mit einem der stereotypen Bilder vom Juden konvergiert.4 Mißverständlich wirkt auch, wenn Bertrand Badiou, der Herausgeber des erst im letzten Jahr erschienenen Briefwechsels Celans mit seiner Frau, im Vorwort dieser Ausgabe in offensichtlicher Verkennung einer Briefstelle schreibt, Celan habe "seine in einer Gegensprache geschriebenen Gedichte ganz bewusst gegen das Publikum gerichtet".5 In einem Brief Celans an seine Frau heißt es dagegen anläßlich einer bevorstehenden Lesung in Stuttgart am 31.1.1955 präziser:

Heute abend werde ich ihnen die Gedichte vorlesen, über ihre Köpfe hinweg, und es wird ein wenig so sein, als wollte ich meinen Hörern jenseits ihrer selbst begegnen, in einer zweiten Wirklichkeit, die mein Geschenk an sie sein wird.6

Fast klingt dies schon wie eine Vorwegnahme des später von ihm in seiner Büchner-Preis-Rede formulierten Credos:

Das Gedicht will zu einem Anderen, es braucht dieses Andere, es braucht ein Gegenüber. Es sucht es auf, es spricht sich ihm zu. (III, 198)

Celan betont in seiner Rede: "es s p r i c h t sich ihm zu", nicht "es s c h r e i b t sich ihm zu"; einmal mehr Zeichen seiner Poetik eines kreatürlichen, eines jeweils aktuellen Sprechens des Gedichts, das weit davon entfernt ist, in der Schrift zu erstarren, sich dem Gegenüber zu entziehen.

Angesichts der hohen dichterischen Evidenz seines Werkes hat sich im Zuge eines anhaltenden intensiven Verstehensbemühens nach Celans Tod seit Anfang der siebziger Jahre eine ganze 'Industrie' der wissenschaftlichen Celan-Edition wie der Celan-Forschung herausgebildet, die ihren Höhepunkt noch keineswegs überschritten hat. Nur für bestimmte Themenbereiche oder für begrenzte Zeiträume - etwa die zu Lebzeiten erschienenen Kritiken7 - ist darüberhinaus der Umgang der Medien mit Person und Werk Celans dokumentiert oder analysiert worden. Solche Untersuchungen, wie die von Barbara Wiedemann vor zwei Jahren vorgelegte neunhundertseitige Dokumentation8 zur Goll-Affäre belegen unterdessen auf erschütternde Weise die weitreichende Bedeutung, welche Presseurteile, Rezensionen oder wissenschaftliche Kritiken für Paul Celan hatten, wie einschneidend spontane Leserreaktionen, mit welchen er bei öffentlichen Lesungen immer wieder konfrontiert war, auf ihn wirken und welche Spuren sie in seinem Werk, und nicht weniger in seinem Leben hinterlassen konnten.

Indes haben mißhellige Darstellungen seiner Person keineswegs mit Celans Tod ihr Ende gefunden. Nach wie vor interessieren sich auch weit verbreitete Zeitschriften oder Magazine wie der Spiegel oder Focus für diesen Autor; nur selten sind ihre Beiträge frei von diffamierenden Wendungen.

Fast schon unübersehbar ist schließlich die wissenschaftliche Forschungsliteratur, deren Zahl heute mehrere tausend Titel umfaßt. Da die ersten Forschungsansätze zumindest teilweise an die Tendenzen der frühen Rezensionen anknüpften, etablierten sie zunächst ein im heutigen Rückblick geradezu fatal anmutendes Celan-Bild, dessen Konsequenzen für den Autor selbst tragisch wirkten, aus dessen hermeneutischen Zirkelschlüssen aber offensichtlich nur schwer zu entkommen ist. Das vom Autor immer wieder angemahnte Augenmerk auf die Referentialität seiner Gedichte auf die historische Wirklichkeit verkehrte sich zumindest teilweise zum Mythos von der "traurigen Geschichte" des armen, im Exil lebenden Ostjuden und Überlebenden des Holocaust. Lebensgeschichte und Textbestand wurden dabei zu einem trüben Amalgam verschmolzen, das Alibifunktion für eine Gesellschaft übernehmen mußte, die ihre Geschichte im Grunde nie wirklich aufgearbeitet hat; die Rezeption des "Dichters des Holocaust" aber droht mancherorts im Klischee zu erstarren. Immer noch und immer wieder wird Celans Werk als ganzes eher in den Kontext von Hermetik oder Manierismus, mithin einer esoterisch anmutenden Sprachkunst gerückt, als konsequent auf jene deutschen wie französischen Kontexte bezogen, welche den Lebenshintergrund seiner Texte bilden. Weder die politische Dimension noch der nahezu durchgehend erotische Grundzug seiner Gedichte, weder die eigentliche ästhetische Innovation seiner Gedichte (auch und gerade im Hinblick auf die Möglichkeiten eines Sprechens nach Auschwitz) noch seine Partizipation an Weltliteratur im Goetheschen Sinne, welche Celans Dichtung wie kaum einer anderen seiner Generation europäischen Rang verleiht, sind ins Bewußtsein seiner breiteren Leserschaft gedrungen und haben jene Stereotypen verdrängen können.

Aus dem Dilemma der offensichtlichen Differenz in der Erfahrung von Evidenz großer Dichtung und gleichzeitiger Unmöglichkeit unmittelbaren Verständnisses mag sich das Bedürfnis erklären lassen, immer mehr Texte von und über Celan zu publizieren in der Hoffnung, durch einen Überschuß an Information oder durch gesteigerte Textfülle ein Mehr an Einsicht gewinnen zu können. Die bisherige Leseerfahrung hat diese Hoffnung jedoch als trügerisch erwiesen. Der heuristische Wert der rein faktischen Information mag in Details aufschlußreich sein; für das Gesamtverständnis, für den poetologischen Zusammenhang, für die Auseinandersetzung mit einzelnen Texten ist diese nur in Ausnahmefällen von entscheidender Bedeutung. Nicht die biographische Information allein, die Sensation von Einzelheiten seiner Lebensgeschichte, wie sie anläßlich des Briefwechsels mit seiner Frau, Gisèle Lestrange-Celan, bekannt geworden sind, vermag unser Verständnis seiner Texte zu vertiefen. Die hermeneutische Abarbeitung am einzelnen Gedicht bleibt dem nicht erspart, dem der Text mehr gilt als der um die Gestalt des Autors geschlungene Mythos. In Celans Befragung der versehrten Sprache scheint nämlich zugleich die nicht geringere Aufgabe auch für den Interpreten auf, diese Suche für sich selbst als Prozeß einer eigenen Sprachfindung nachzuvollziehen. Wenn Celan nahezu ausnahmslos seine Gedichte in der Sprache der Mörder seiner Mutter verfaßt hat, so darf nicht vergessen werden, daß sich dieser selben Sprache auch die Mehrheit seiner Interpreten bedient. Der für Celan aus der katastrophalen historischen Erfahrung resultierende poetologische Imperativ fordert um nichts weniger die Reflexion des Rezipienten auch auf die von ihm selbst gesprochene deutsche Sprache. Dies aber ist im eigentlichen Sinne die Aufgabe, welche sein Werk an den Interpreten stellt.
Den ebenso häufig berufenen wie in die Phrase entglittenen Zusammenhang von "Mutter- und Mördersprache"9 als Grundkonstituens von Celans Dichtung möchte ich im folgenden anhand der Analyse eines Beispiels aus jenem Teil des Celanschen Œuvres darzustellen versuchen, der vom Autor gerade nicht - und zwar mit Emphase nicht - zur Veröffentlichung bestimmt gewesen ist. Hatte sich Celan im Hinblick auf den von ihm hoch geschätzten russischen Dichter Osip Mandelstam bereits Mitte der sechziger Jahre dafür ausgesprochen, dessen Werk durch eine restriktive Editionshaltung gerade nicht dem "allesverschleißenden Buchmarkt" auszuliefern,10 so ist ihm selbst dieses Schicksal leider nicht erspart geblieben. Was Celan damit meinte, läßt sich an der Editionsgschichte seines eigenen Werkes deutlich genug erkennen.

1983, dreizehn Jahre nach Celans Tod, erschien die erste vollständige Ausgabe seines autorisierten Werkes, das in fünf Bänden auch die Mehrzahl der von ihm publizierten Übersetzungen enthielt. Sechs Jahre später folgte eine dieser Edition angeglichene, allerdings um einen wissenschaftlichen Apparat erweiterte Ausgabe der frühen Gedichte. 1997 kamen, nach längerer Editionspause, die Gedichte aus dem Nachlaß heraus; auch diese Ausgabe wurde in Stil und Präsentationsform der ersten Werkausgabe angeglichen. Diese ist nun im vergangenen Jahr im Textbestand unverändert, wenn auch geringfügig korrigiert als siebenbändige Taschenbuchedition neu aufgelegt worden. In der Integration der beiden Werkteile sind die Grenzen zwischen dem vom Autor zur Veröffentlichung vorgesehenen und dem in den Beständen des Nachlasses (bzw. im Besitz dritter) erhaltenen Werkes aufgehoben worden; separat erscheinen demgegenüber nur noch die bislang drei edierten Bände aus dem umfangreichen Briefwechsel Celans, die ebenfalls aus dem Nachlaß ediert wurden. Wegen seines intimen Charakters soll hier nur der jüngst erschienene dritte Band, der bereits erwähnte Briefwechsel Celans mit seiner Frau einbezogen werden.

Die Werkgenese, insbesondere die Zusammenstellung der Einzelgedichte zu Zyklen, konnte in den letzten Jahren verstärkt in die wissenschaftliche Untersuchung miteinbezogen werden; dazu hat insbesondere die Veröffentlichung von Vorstufen und Notizen zur Gedichtentstehung bzw. zur Konzeption der Gedichtbände beigetragen, wie sie in den beiden von einer Bonner und einer Tübinger Arbeitsgruppe separat erarbeiteten und nebeneinander im selben Verlag erscheinenden Ausgaben publiziert wurden. Daß die Varianten der kontextuellen Zuordnung einzelner Gedichte Celans, ihre Integration oder ihr Ausscheiden aus einem Gedichtband interpretatorische Relevanz für den jeweiligen Einzeltext wie für den Band als ganzes haben können, konnte bereits mehrfach nachgewiesen werden. Insbesondere für den Band Sprachgitter hat Joachim Seng in seiner Frankfurter Dissertation aufs genaueste Kompositionsweise und zyklische Gebundenheit der Gedichte herausarbeiten können.11
Das autorisierte Werk von Celan besteht also aus neun streng komponierten, in sich abgeschlossenen und sukzessive ineinander verwobenen Einzelzyklen, welche im Verlauf der Entstehung des Gesamtwerks zunehmend aufeinander bezogen wurden. Bei den ersten Bänden Mohn und Gedächtnis und Von Schwelle zu Schwelle erscheint der Titel des folgenden Bands bereits im vorausgehenden Zyklus. In den letzten Lebensjahren, die von eruptiven Schaffensphasen begleitet waren, gibt Celan erst dann einen Band in Druck, wenn das Manuskript des darauf folgenden Zyklus bereits abgeschlossen vorliegt. Dies erklärt auch die nach seinem Tod vorgefunden Konvolute Schneepart und Zeitgehöft, deren Druckvorlage von Celan selbst noch erstellt wurde und die daher dem autorisierten Werk zugerechnet werden können. Ebenso deutlich wie ungewöhnlich genug tritt damit die für die Interpretation grundlegende Struktur einer Bewegung auf einen dichterischen Gesamttext hervor, den Celan auch dadurch gestaltete, dass er einzelne bereits abgeschlossene Gedichte aus dem zunächst erwogenen zyklischen Kontext wieder entband und sie damit von der Veröffentlichung ausschloß.

Diesem, von Celan derart autorisierten 'Gesamttext' seiner Dichtung, steht nun ein in sich heterogenes Nachlaßwerk gegenüber. Es umfaßt außer weiteren Gedichten auch zahlreiche Prosaentwürfe, Aphorismen, Notizen und persönliche Aufzeichnungen. Dazu kommt noch ein umfangreiches Briefwerk, dessen Publikation in den nächsten Jahren ansteht. Unter den nachgelassenen Gedichten ist das in Bukarest im Nachlaß von Alfred Margul-Sperber erhaltene Frühwerk zu unterscheiden von den später in Paris parallel zu den publizierten Gedichtzyklen entstandenen, teilweise in diese zunächst integrierten, teilweise auch separat gebliebenen Gedichten. Im Unterschied zum Frühwerk, aus dem nur abgeschlossene Texte überliefert sind, haben wir es mit dem im Nachlaßband veröffentlichten Texten gelegentlich auch mit fragmentarisch gebliebenen Entwürfen zu tun. Beide Bände vereinigen also entstehungsgeschichtlich wie in Bezug auf ihre Autorisation divergierende Konvolute.
Celan hatte die ganz frühen Gedichte der Bukowiner Zeit bei der Freundin Ruth Kraft hinterlegt, der er 1944 eine Abschrift anfertigte.12 Später entstanden weitere Gedichte in Bukarest und in Wien. Einen Teil dieser Texte übernahm Celan in den Band Der Sand aus den Urnen, den er 1948 in Wien drucken ließ. Ein anderer Teil des Frühwerks, dessen Manuskripte in Rumänien verblieben waren, gelangte bis zu seinem Tod nicht mehr in seine Hände. Von einer Publikation gerade der in rumänischer Sprache abgefaßten Texte hat Celan immer abgesehen. Mit einem expliziten Publikationsverbot versah er später einige der Pariser Gedichte; trotz entsprechender Notierungen auf den Manuskripten wie "Nicht veröffentlichen!", "Niemals veröffentlichen!" oder "Unveröffentlichbar!" sind auch solche Texte zum Teil in die Nachlaßpublikation aufgenommen worden.13

Neben den Gedichten sind unterdessen, wie bereits erwähnt, auch schon Teile des Briefwechsels publiziert worden, zunächst die Korrespondenz mit Nelly Sachs und mit Franz Wurm, einem aus Prag gebürtigen und während seiner Freundschaft mit Celan in Zürich und später wieder in Prag lebenden Dichter und Übersetzer, mit welchem Celan zeitweise intensiv zusammengearbeitet hat, schließlich, jüngst, die Korrespondenz mit Hanne und Hermann Lenz.14 Die Publikation dieser Briefwechsel legitimiert sich durch deren Relevanz für die Werkgeschichte Celans; das Gespräch in Briefen, das Celan mit Nelly Sachs führte, korrespondiert ihrem Gespräch in den Gedichten. Der zweite in Verbindung mit Franz Wurm von Barbara Wiedemann edierte Briefband vermittelt punktuell wichtige Aufschlüsse im Bereich des Spätwerks.

Einen ganz anderen Status hat demgegenüber der sogenannte 'Ehebriefwechsel', der im vergangenen Jahr gleichzeitig in einer französischen Edition in Paris und in deutscher Übersetzung in Frankfurt erschienen ist.15 Hier interessierten vor allem biographische Hintergründe, welche die umfängliche, seit 1950 anhaltend geführte Korrespondenz Celans mit seiner Frau zu vermitteln vermögen. Es war das ganz besondere Anliegen des gemeinsamen Sohnes, durch die Herausgabe der Korrespondenz auch dem künstlerischen Werk seiner Mutter angemessene Würdigung zuteil werden zu lassen. Nicht zuletzt diese Edition führt gegenwärtig vor allem in Frankreich zu einer erneuten Intensivierung der Auseinandersetzung mit Celan, den man hier - da die Briefe durchgängig in französischer Sprache verfaßt worden sind - durchaus auch als einen dem Französischen zugehörigen Autor neu zu entdecken sucht. Im Anhang zum Kommentar des Ehebriefwechsels findet sich als Ergebnis jahrelanger Rekonstruktionsbemühungen die von Bertrand Badiou verantwortete gegenwärtig umfassendste Darstellung wichtiger biographischer Daten Celans. Was vermag nun diese immer noch expandierende und, mit Rücksicht auf ihren Aufwand, kaum mehr angemessen zu würdigende Editionsarbeit im Hinblick auf ein zu vertiefendes Verständnis des Gedichtwerks von Celan zu leisten?

Celan wird, so scheint es mir, immer mehr der Obhut einer (gar nicht so kleinen) Gruppe von Spezialisten übergeben, die akribisch allen Äußerungen nachspüren und Leben und Werk ins kleinste zu rekonstruieren und zu dokumentieren suchen. Dazu gehören die ebenso langwierigen wie umfangreichen Editionsbemühungen zweier unabhängig voneinander arbeitender Arbeitsgruppen in Bonn und Tübingen ebenso wie die internationale Forschergruppe, welche derzeit eine Kommentierung einzelner Gedichtbände erarbeitet. Solche Arbeit wird in der Regel nur bei jenen Autoren geleistet, denen man den Status des Klassikers zuerkennt und deren Werk als fundamentales kulturelles Erbe erachtet wird. Dem enormen wissenschaftlichen wie editorischen Aufwand steht allerdings ein Rezeptionsverhältnis in geradezu extremer Schieflage gegenüber. Zum einen ist Celan als Autor fast ausschließlich lyrischer Texte einer breiteren Öffentlichkeit so gut wie unbekannt geblieben. Selbst im Schulunterricht wird sein Werk - die Todesfuge eingeschlossen - zunehmend marginalisiert, d.h. an die kommenden Leser per Kulturisation immer weniger vermittelt. Dies hängt auch mit dem zentralen Gegenstand seiner Gedichte zusammen, mit dem sich die Vertreter jüngerer Generationen immer weniger auseinandersetzen (wollen oder sollen?). Zum Teil ist dies auch bedingt durch die enormen Leseanforderungen, welche die Texte Celans stellen, deren Grundlagen immer weniger vorauszusetzen sind (dies allerdings legitimiert einmal mehr die Kommentierungsarbeit). Im Gegensatz zur weitreichenden Non-Präsenz ist die ausgesprochene Schieflage in der Rezeption zum anderen dadurch bedingt, dass "Celan" als Inbegriff für eine lyrische 'Verarbeitung' des Holocaust weitgehend klischeehaft rezipiert wird; die hierbei in Anschlag gebrachten Stereotypen erweisen sich oft als nur allzu wenig entfernt von Zuschreibungen nationalsozialistischer Couleur. Celan-Lektüre und Celan-Aneignung finden also statt zwischen einer betont einseitig affirmierenden Praxis (Bukowiner Autor, jüdischer Dichter, Dichter des Holocaust) einerseits, einer nicht nur latent diffamierenden 'Problematisierung' andererseits, welche stereotyp signifikante Momente der Lebensgeschichte und des Werks zu diskreditieren sucht. Dies begann schon früh mit der leider immer wieder aufgegriffenen Unterstellung, Celan habe "die traurige Geschichte" vom Tod seiner Eltern so mitleiderregend zu erzählen gewußt; es mündet heute in der durch die letzte Briefedition möglich gewordene öffentliche Diskussion um die schwere psychische Erkrankung Celans, welche ihn seit dem Jahreswechsel 1962/63 immer wieder zu längeren Klinikaufenthalten zwang. Nicht völlig unähnlich dem 'Fall' Hölderlins scheint auch bei Celan durchaus die Bereitschaft zu bestehen, das äußerst komplexe Spätwerk als Produkt des Wahns und den Dichter als unzurechnungsfähig zu erklären. Die von Peter Szondi schon früh erhobene und von Peter Horst Neumann in den neunziger Jahren noch einmal aufgegriffene Frage "Was muß ich wissen, um zu verstehen?" läßt sich angesichts der Edition des Ehebriefwechsels pointieren in die Frage "Muß ich das wissen, um zu verstehen?" oder sogar "Will ich das wissen?". Manch einer möchte die Vielzahl jener Briefstellen nie gelesen haben, durch deren Publikation die ansonsten geschützten Grenzen der Intimität, die Unangreifbarkeit der Person längst überschritten worden sind. Dass die Lektüre des Ehebriefwechsels beim Leser dennoch nicht den Eindruck eines schamlosen Voyeurismus hinterlässt, zu dem er sich durch die Lektüre unwillentlich geleitet sieht, ist nur der Tatsache geschuldet, dass Paul Celan und Gisèle Celan-Lestrange in ihren Briefen fast durchgehend den hohen Ton wahren. So wird die Lektüre gerettet in einen überaus bewegenden Einblick in den verzweifelten Überlebenskampf zweier großer Liebender, die den zweifelhaften äußeren Anfeindungen, denen sie sich ausgesetzt sahen, letztlich nicht gewachsen waren. Insbesondere die Gattin Celans gewinnt hier erstmals für den sonst nur an Paul Celan interessierten Leser die Kontur menschlicher Integrität und künstlerischer Größe, wie sie bisher der Einsicht nicht zugänglich war.

Nach Abschluss der in den nächsten Jahren zu erwartenden vollständigen Edition aller von Celan hinterlassener Schriften wird sich das Gesamtwerk des Dichters teilen lassen in die Bereiche Gedichte - Prosatexte - Übersetzungen - Briefe. Sie unterscheiden sich nicht nur von der Gattung her. Die bei der Lektüre immer einzubeziehende Entscheidung des Autors für oder gegen eine Publikation läßt sich m.E. auch hermeneutisch im Hinblick auf ein noch zu erweiterndes Verständnis des Gesamtwerkes nutzbar machen. Sie erzeugt eine Differenz, welche sich angesichts der strengen zyklischen Komposition seines Gedichtwerks gerade im Hinblick auf die Poetik als aufschlußreich erweist. Zum anderen vermag sich der Ausschluß bestimmter Texte von der Veröffentlichung als brauchbares Kriterium erweisen für die Erkenntnis jener auch vom Interpreten zu wahrenden Grenze zwischen der unantastbaren Person Celans und seinem, einem lesenden Gegenüber zugewandten Gedicht. Um diesen Zusammenhang ein wenig zu veranschaulichen, habe ich ein Beispiel aus dem Frühwerk gewählt.

Das Gedicht Schwarze Flocken, dessen genaues Entstehungsdatum unbekannt ist, gehört vermutlich zu den letzten der in der Bukowina entstandenen Gedichte, welche die Herausgeberin Barbara Wiedemann in ihrer Edition chronologisch anzuordnen versucht hat. Von den 135 aus dieser Zeit erhaltenen Gedichten ist nur eine kleine Anzahl in die ersten Gedichtpublikationen Celans in den Zeitschriften Plan (Wien 1947) und Die Tat (Zürich, ebenfalls 1947) aufgenommen worden. In Wien bereitet Celan seinen ersten Gedichtband in Buchform zur Publikation vor; er erscheint 1948 nach seinem Weggang nach Paris unter dem Titel Der Sand aus den Urnen, wird von ihm aber wegen der zahlreichen Druckfehler schon nach kurzer Zeit wieder aus dem Verkauf zurückgezogen. Erst vier Jahre später (1952) erscheint mit Mohn und Gedächtnis in der Deutschen Verlagsanstalt in Stuttgart der eigentliche Debütband Celans. War das Gedicht Schwarze Flocken im Band Der Sand aus den Urnen noch enthalten, so wird es in Mohn und Gedächtnis nicht mehr aufgenommen. Dieses Buch enthält nun nur noch wenige der frühen Gedichte und weist eine grundsätzlich andere Komposition auf. So enthielt der erste Band, Der Sand aus den Urnen, nur zwei Zyklen (An den Toren und Mohn und Gedächtnis); ihnen ist das Gedicht Todesfuge als Abschluss des Bandes wie ein dritter Zyklus angefügt. Im Band Mohn und Gedächtnis steht die Todesfuge gleichfalls separat in der Bandmitte; sie ist dem ersten Binnenzyklus Der Sand aus den Urnen nachgeordnet und wird gefolgt von zwei weiteren Zyklen (Gegenlicht und Halme der Nacht). Die beiden Gedichte Corona und Auf Reisen, welche als Schlußgedichte im Band Der Sand aus den Urnen der Todesfuge vorangestellt waren, rahmen diese nun im Band Mohn und Gedächtnis als letztes Gedicht des ersten und als erstes Gedicht des zweiten Zyklus. Beide Gedichte markieren den letzten Moment in Wien mit dem anschließenden Weggang Celans nach Paris. Dem Gedicht Todesfuge kommt durch die Positionierung in beiden Fällen eine Schlüsselfunktion zu: den ersten Band (Der Sand aus den Urnen) schließt das Gedicht ab, im zweiten, aus der veränderten lebensgeschichtlichen Perspektive vier Jahre später komponiert, wirkt es dagegen wie ein Schwellengedicht und markiert den Übergang von Ost nach West, die Grenze zwischen dem Leben Celans in Czernowitz, Bukarest und Wien einerseits, der Zeit in Paris andererseits. Obwohl, wie die Frühwerkedition belegt, das bis 1949 entstandene lyrische Œuvre etwa zweihundert abgeschlossene Texte umfaßte, stehen im ersten Gedichtband Celans 25 Gedichten aus der Zeit bis Wien (die Todesfuge nicht eingerechnet) 30 Gedichte gegenüber, die erst in den vier Pariser Jahren entstanden sind (einer Phase, in der sich Celan übrigens mehrfach brieflich darüber beklagt, nicht mehr schreiben zu können). Diese Akzentverschiebung bedarf einer interpretatorischen Analyse; sie läßt sich mit der zunehmenden Reife des immer noch jungen Dichters (1952 ist Celan 32 Jahre alt) nicht befriedigend erklären. Auch können viele der frühen, in Mohn und Gedächtnis nicht aufgenommenen Gedichte keineswegs als Anfängertexte abgetan werden, wie sich unschwer erkennen läßt:

SCHWARZE FLOCKEN

Schnee ist gefallen, lichtlos. Ein Mond
ist es schon oder zwei, daß der Herbst unter mönchischer Kutte
Botschaft brachte auch mir, ein Blatt aus ukrainischen Halden:

"Denk, daß es wintert auch hier, zum tausendstenmal nun
im Land, wo der breiteste Strom fließt:
Jaakobs himmlisches Blut, benedeiet von Äxten ...
O Eis von unirdischer Röte - es watet ihr Hetmann mit allem
Troß in die finsternden Sonnen ... Kind, ach ein Tuch,
mich zu hüllen darein, wenn es blinket von Helmen,
wenn die Scholle, die rosige birst, wenn schneeig stäubt das Gebein
deines Vaters, unter den Hufen zerknirscht
das Lied von der Zeder ...
Ein Tuch, ein Tüchlein nur schmal, daß ich wahre
nun, da zu weinen du lernst, mir zur Seite
die Enge der Welt, die nie grünt, mein Kind, deinem Kinde!"

Blutete, Mutter, der Herbst mir hinweg, brannte der Schnee mich:
sucht ich mein Herz, daß es weinte, fand ich den Hauch, ach des Sommers,
war er wie du.
Kam mir die Träne. Webt ich das Tüchlein.16

Schwarze Flocken ist vermutlich das erste Gedicht, in welchem Celan auf die tief einschneidende Erfahrung des Holocaust reflektiert. Zugleich ist es ein überraschend dezidiertes frühes poetologisches Gedicht, in welchem Celan das problematische Verhältnis zwischen der Sprache seiner Mutter und der Sprache ihrer Mörder thematisiert im Hinblick auf die ihm von hier aus zugetragene Aufgabe als deutschsprachiger Dichter. Das genaue Entstehungsdatum ist unbekannt, der Zusammenhang mit dem Tod des Vaters im Herbst 1942 und der Erschießung der Mutter im darauf folgenden Winter ist jedoch evident. Ich möchte dies Gedicht, das schon mehrfach umfangreich interpretiert worden ist, im Kontext meiner bisher vorgetragenen Überlegungen vor allem im Hinblick auf vier Fragekomplexe untersuchen. Es geht mir dabei
1. um die Frage nach dem Verhältnis von gesprochener und vermittelter Sprache;
2. um die Frage danach, wie Celan hier die Versehrung der deutschen Sprache durch die Mörder der Mutter und gleichzeitig das Sprechen der Mutter in dieser selben Sprache zum Ausdruck bringt;
3. um die Frage nach den im Gedicht angesprochenen Zeitstufen, also dem Verhältnis von Gleichzeitigkeit und Präsenz einerseits, historischer Abfolge andererseits; und
4. um den Zusammenhang von Wahrnehmung und Vermittlung, welche einen spezifischen Affekt beim sprechenden Ich wie beim Leser bewirken und die schließlich in die poetologische Metapher vom Tuch münden.

Schon auf den ersten Blick wird an der Dreiteilung des Gedichts sichtbar, dass hier unterschiedliche Redeformen aufeinander treffen: Im ersten Abschnitt berichtet ein sprechendes Ich von einer Botschaft, die es erhalten hat. Der zweite Abschnitt gibt nun - angezeigt durch Doppelpunkt und Anführungszeichen - den Inhalt dieser Botschaft in wörtlicher Rede wieder. Der dritte Abschnitt fällt dann wieder zurück in den Berichtston, so dass erste und dritte Einheit eine Art Rahmen um die ausführliche mittlere Partie legen. Im Gegensatz zum ersten wird der Berichtston im dritten Abschnitt jedoch nicht korrekt fortgeführt. Hat es zunächst den Anschein, als berichte das sprechende Ich einer dritten Person, so ist hier nun die Rede deutlich als Antwort an die Mutter formuliert; gleichwohl bewahrt sie wie zu Beginn das Tempus der Vergangenheit. Die dem Mittelteil entlehnte direkte Ansprache an die Mutter verschmilzt also mit dem Bericht. Das Gedicht affirmiert somit in seinem Sprechen das dialogische Prinzip im Gespräch von Mutter und Kind und verwandelt dieses zugleich in ein erzähltes Geschehen. Die Gedichtrede kehrt über die im Wechsel von Rede und Gegenrede inszenierte Begegnung mit der Mutter an ihren Ausgangspunkt zurück. In diesen gleichzeitig inszenierten und referierten Redewechsel sind schließlich noch weitere Formen vermittelter wie aktueller Rede eingelassen: die Botschaft, die das Kind "unter mönchischer Kutte" empfängt, kündet vom zu erwartenden Tod der Mutter. Dies bedeutet die genaue Umkehrung - eine Inversion - der Verkündigung Mariä. Mit der "mönchischen Kutte" stellt sich implizit ein brauner Farbton ein. Die frohe Botschaft ist in die Todesnachricht verkehrt wie auch das Verhältnis von Mutter und Kind nun umgekehrt aufgefaßt wird. Die als aktuelles Sprechen vom Gedicht referierte Botschaft der Mutter bedient sich dann weiterer Hinweise auf den Status vermittelter Rede, indem sich diese nämlich aus Elementen konkurrierender Diskurse zusammengesetzt erweist, welche der Mutter zur Umschreibung des Unbeschreibbaren dienen: "Hetmann", "Troß", "Helme", "knirschende Hufe" berufen eine auf fatale Weise falsch aufgefaßte germanische Heldenepik; wenn es zu Anfang heißt, dass es wintert "auch hier zu tausendstenmale" sind eben jene chiliastischen Vorstellungen aufgerufen, deren Verkehrung die Ideologie des Dritten - des tausendjährigen Reiches - mitbegründen halfen. Die Figur der Umkehrung, die strukturell in der Inversion der Verkündigung bereits sichtbar wurde, kehrt hier also im Hinblick auf die geschichtliche Umdeutung des chiliastischen Denkens wieder. Sie wird fortgesetzt in der für dieses Gedicht zentralen rhetorischen Figur des Oxymorons - der Negation innerhalb einer sprachlichen Wendung. Das Oxymoron prägt die Beschreibungen der Mutter, die so die im Anrufen von Namen oder Begriffen angesprochenen komplexen Kontexte als verkehrte Geschichte, als verkehrte Botschaft, als verkehrte Utopie zu decouvrieren vermag:
der "breiteste Strom" ist ein Blutstrom, gestockt zum "Eis von unirdischer Röte"; "Jaakobs himmlisches Blut" ist "benedeiet von Äxten", die Sonnen werden als "finsternde" charakterisiert etc. Auch das "Lied von der Zeder", das der Vater als Symbol der zionistischen Wendung nach Palästina gesungen hat, wird diesem Prozeß unterworfen: der grünende Baum des Liedes erscheint unter den Hufen des Trosses zerknirscht. Celan gelingt es also in der Rede der Mutter sprachliche Signifikanten des nationalsozialistischen Wahns aufzurufen und deren tötende Macht in Bezug auf Vater und Mutter als sprachlich vollzogene Akte der Verkehrung darzustellen. Die Sprache der Muter bedient sich der Sprache ihrer Mörder, legt aber gleichzeitig damit deren mörderische Strategie offen. Ihre appellativ in großer Intensität mehrfach vorgebrachte Bitte an das Kind um "ein Tuch, mich zu hüllen darein", zielt auf eine andere Verhüllung als die Hülle der von ihr zitierten sprachlichen Versatzstücke. Sie wird begründet als ein Bewahrungsversuch: "Ein Tuch, ein Tüchlein nur schmal, dass ich wahre/ ... die Enge der Welt". Dieses Tuch ist zunächst das Tuch, mit welchem die Mutter ihr trauerndes Antlitz angesichts des ermordeten Vaters verhüllt; es wird dann ihr eigenes Leichentuch. In der Diminuisierung ist es schließlich das "Tränentüchlein" als Zeichen der Trauer ihres Kindes. Diesem obliegt nun Trauerarbeit im doppelten Sinne: nicht nur im Akt der Beweinung, sondern - erkennt man im Tuch eine der ältesten Textmetaphern überhaupt - zugleich als Botschaft, als Kunde, die es von nun an von dieser Trauer zu geben hat. Sie wird im Gedicht Gestalt annehmen.

Dem allein zurückgebliebenen Kind ist mit der Rede der Mutter schließlich auch ein besonderes Reflektieren auf Zeit - mithin auf Geschichte - aufgegeben. Denn ihre Rede unterscheidet sich von der Zeitstufe des Gedichtrahmens durch ihre durchgehend präsentische Form. Gleichwohl gelingt es ihr, alle drei möglichen Zeitstufen im Präsens zu aktualisieren: indem sie das hic et nunc des Winters als Vorgang aktivisch wiedergibt - "Denk, dass es wintert auch hier" - und diesen Vorgang zugleich in die geschichtliche Abfolge eingliedert - "zum tausendstenmal nun". In ihre Beschreibung des gegenwärtigen Schreckens versenkt sie anschließend die zurückliegende Ermordung des Vaters ebenso wie sie am Schluß ihrer Rede die zukünftige Generationenfolge einholt, indem sie auf "die Enge der Welt, die nie grünt, mein Kind, deinem Kinde" verweist. Mit dem ebenfalls aktivisch gebrauchten "Grünen" verknüpft sie diese Perspektive mit dem zu Beginn erwähnten "Wintern" und führt hier abschließend auch noch die Hoffnung auf eine Überwindung der Katastrophe der Geschichte, die Utopie von einer besseren Zukunft ad absurdum. Das Kind erkennt in dieser Botschaft die historische Vernichtung als Generationen übergreifendes, sich perpetuierendes Geschehen. Angesichts dessen wendet sich dieses nun in seiner Antwort von der eigenen Jetztzeit aus regressiv zurück in die Suche nach dem verlorenen Glück, dem für immer vergangenen Hauch des Sommers. In ihm findet es schließlich die Seele der Mutter wieder.

Celan hat in diesem Gedicht in elaborierter Art und Weise die persönliche Trauer um die gemordeten Eltern zu erfassen versucht. Er tut dies aber gerade nicht in poetisch beschönigenden Metaphern ohne jeden Wirklichkeitsbezug, wie ihm dies immer wieder vorgeworfen wurde. Er tut dies im hoch kalkulierten Bezug auf eben jene sprachlichen Bilder, deren Wirkung existentieller Art gewesen ist. Mit dem Gedicht stellt er den Begründungszusammenhang seiner Dichtung dar als ein Aufdecken eben jener - sprachlich vermittelten - Strukturen, welche die reale Vernichtung ermöglicht und getragen haben. Er sucht den Schrecken in seinem sprachlichen Zentrum selbst auf und gewinnt aus ihm die Träne, das Tüchlein seiner Antwort, wie sie das Gedicht Schwarze Flocken formuliert hat. Diesen Titel erhält der Text Celans erst in der Buchpublikation. Er erscheint aus den Worten des ersten Verses - "Schnee ist gefallen, lichtlos." - gewonnen und zeigt noch einmal die Figur des Oxymorons. Er weist in seiner spezifischen Umkehrung des Reinen, Weißen in das Versehrte, Vernichtende bereits voraus auf die zentrale Metapher der späteren Todesfuge. Ein Vergleich der beiden Gedichte läßt nun noch weitere Ähnlichkeiten im sprachlichen Verfahren erkennen.


Schwarze Milch der Frühe wir trinken sie abends
wir trinken sie mittags und morgens wir trinken sie nachts
wir trinken und trinken
wir schaufeln ein Grab in den Lüften da liegt man nicht eng
Ein Mann wohnt im Haus der spielt mit den Schlangen der schreibt
der schreibt wenn es dunkelt nach Deutschland dein goldenes Haar Margarete
er schreibt es und tritt vor das Haus und es blitzen die Sterne er pfeift seine Rüden herbei
er pfeift seine Juden hervor läßt schaufeln ein Grab in der Erde
er befiehlt uns spielt auf nun zum Tanz

Schwarze Milch der Frühe wir trinken dich nachts
wir trinken dich morgens und mittags wir trinken dich abends
wir trinken und trinken
Ein Mann wohnt im Haus der spielt mit den Schlangen der schreibt
der schreibt wenn es dunkelt nach Deutschland dein goldenes Haar Margarete
Dein aschenes Haar Sulamith wir schaufeln ein Grab in den Lüften da liegt man nicht eng

Er ruft stecht tiefer ins Erdreich ihr einen ihr andern singet und spielt
er greift nach dem Eisen im Gurt er schwingts seine Augen sind blau
stecht tiefer die Spaten ihr einen ihr andern spielt weiter zum Tanz auf

Schwarze Milch der Frühe wir trinken dich nachts
wir trinken dich mittags und morgens wir trinken dich abends
wir trinken und trinken
ein Mann wohnt im Haus dein goldenes Haar Margarete
dein aschenes Haar Sulamith er spielt mit den Schlangen

Er ruft spielt süßer den Tod der Tod ist ein Meister aus Deutschland
er ruft streicht dunkler die Geigen dann steigt ihr als Rauch in die Luft
dann habt ihr ein Grab in den Wolken da liegt man nicht eng

Schwarze Milch der Frühe wir trinken dich nachts
wir trinken dich mittags der Tod ist ein Meister aus Deutschland
wir trinken dich abends und morgens wir trinken und trinken
der Tod ist ein Meister aus Deutschland sein Auge ist blau
er trifft dich mit bleierner Kugel er trifft dich genau
ein Mann wohnt im Haus dein goldenes Haar Margarete
er hetzt seine Rüden auf uns er schenkt uns ein Grab in der Luft
er spielt mit den Schlangen und träumet der Tod ist ein Meister aus Deutschland

dein goldenes Haar Margarete
dein aschenes Haar Sulamith (I, 39-42)


Im Unterschied zu Schwarze Flocken wird die persönliche Betroffenheit des sprechenden Ichs, das den Verlust der eigenen Eltern beklagen muß, hier überführt in kollektive Rede. Den Sprechenden steht nun ihr Mörder, der eine Mann gegenüber, dessen Anweisungen sie unterliegen. Auch dieser Text changiert zwischen Bericht und persönlicher Ansprache, zwischen vermittelter Rede und aktuellem Sprechen. Dabei führt auch dieses Gedicht die Auslöschung der sprechenden Subjekte sprachlich vor, nun aber nicht, wie in Schwarze Flocken, auf der Bildebene, sondern verstärkt auf der strukturellen Ebene. In der Todesfuge überwiegt die Thema und Variation systematisch engführende Struktur über die Entfaltung der Bilder; "Die Enge der Welt" - wobei Enge etymologisch mit Angst verknüpft ist -, von der bereits in Schwarze Flocken die Rede war, kehrt hier leitmotivisch wieder ("da liegt man nicht eng"). Die formelhaft reduzierte Sprache verweist auf die Wiederholbarkeit des dargestellten Geschehens, das Stereotyp hebt die Individualität auf. Gleichwohl sind auch hier signifikante Begriffe oder Wendungen nationalsozialistisch gebundenen Sprechens enthalten. Was in Schwarze Flocken als Oxymoron auf der Bildebene durchgeführt wurde, erscheint hier als verlogener Euphemismus eingelassen in die syntaktische Strukturierung der Rede. Dies beginnt mit der bereits zitierten Wendung "da liegt man nicht eng"; es setzt sich fort im "Spiel" mit den Schlangen, jenem klassischen Symbol für die - vorgeblich - gerechte göttliche Strafe, und kulminiert in der Rede des Mannes, der den schaufelnden Juden sagt "spielt süßer den Tod der Tod ist ein Meister aus Deutschland". Dieser Tod wird am Ende des Gedichts schließlich als Geschenk bezeichnet, Traumprodukt jenes sich selbst verklärenden verblendeten Deutschtums, dessen Anfänge weit hinter die Zeit des Nationalsozialismus zurückreichen. Was die Todesfuge nun aber auf der strukturellen Ebene mit dem Gedicht Schwarze Flocken verbindet, ist nicht nur dasselbe oxymorale Verfahren. Es ist die Art und Weise, wie das falsche Sprechen von den Angesprochenen affirmiert und dabei im Akt der Inversion entlarvt wird. Dieses Verfahren betrifft wiederum den Knotenpunkt zwischen vermittelter und aktueller Rede. Zu Beginn heißt es von dem Mann, "der schreibt wenn es dunkelt nach Deutschland dein goldenes Haar Margarete". Diese Wendung wird im Gedicht den Kompositionsregeln der Fuge entsprechend mehrfach wiederholt. Ihr antwortet aber beim zweitenmal die Gegenrede "Dein aschenes Haar Sulamith". Diese - aussichtslose - Antwort ist kein Aufschrei, kein Widerspruch. Sie markiert die steigende Affirmation des Befohlenen ("stecht tiefer ins Erdreich") und dessen gleichzeitig damit gesteigerte Wirksamkeit. Gegen Ende verdichten sich die Sprachformeln der Todesfuge zunehmend und erreichen ihren Höhepunkt im einzigen Reimpaar des Gedichts:"der Tod ist ein Meister aus Deutschland sein Auge ist blau/ er trifft dich mit bleierner Kugel er trifft dich genau." Der daran nochmals anschließende Refrain "ein Mann wohnt im Haus dein goldenes Haar Margarete" bleibt dann ohne das Gegenwort Sulamiths. Die Auslöschung ist nun ganz gegenwärtig: "er hetzt seine Rüden auf uns er schenkt uns ein Grab in der Luft/ er spielt mit den Schlangen und träumet der Tod ist ein Meister aus Deutschland". Der Nachklang der beiden das Gedicht beendenden Anrufungen kann den Tod jüdischen Geliebten des Hohen Lieds Salomons weder aufhalten noch aufheben; die sprachliche Erinnerung muß ihn jedoch aushalten. Dies sind keine Metaphern mehr, dies war Realität.

Celan hat das Gedicht letztlich, wie bereits erwähnt, nach den ersten Publikationen ins Zentrum seines Gedichtbands Mohn und Gedächtnis gestellt. Über die zentrale Bedeutung des Textes für sein Gesamtwerk wie für die deutschsprachige Lyrik nach 1945, ja für den lyrischen Diskurs über den Holocaust überhaupt besteht kein Zweifel. Aus dem Vergleich mit dem Gedicht Schwarze Flocken erscheint mir die Frage überlegenswert, warum Celan das frühere Gedicht in den Band Mohn und Gedächtnis nicht mehr aufgenommen hat. Daß auch dieses einen überzeugenden Entwurf darstellt, scheint außer Frage. Den tiefen Eindruck, den es beim Leser hinterlässt, hat als erste Ingeborg Bachmann bezeugt, die sich 1952, im Erscheinungsjahr von Mohn und Gedächtnis einem eigenen lyrischen Text mit dem Titel Wie Orpheus spiel ich eine Hommage an Paul Celan eingeschrieben hat. Hier findet sich auch in den Versen: "der Finsternis schwarze Flocken / beschneiten dein Antlitz," eine direkte Anspielung auf das Gedicht.17

Celans Entscheidung, Schwarze Flocken nicht mehr zu publizieren, läßt sich aus dem Vergleich der beiden Zyklen Sand aus den Urnen und Mohn und Gedächtnis erhellen. In letzterem sprechen im Gegensatz zu den weitaus zahlreicheren früheren Beispielen nur noch die Gedichte Espenbaum im ersten Zyklus und Der Reisekamerad im vierten Zyklus explizit von der Mutter; keines der beiden weist eine vergleichbare poetologisch relevante Gesprächstruktur auf. Dem Ausscheiden der auf die Mutter bezogenen Gedichte korrespondiert umgekehrt die Zunahme von Gedichten, mit denen Celan gerade in Mohn und Gedächtnis einen neuen Liebesdiskurs als poetologisch grundlegendes Paradigma konstituiert. Er geht zum einen auf die eigenen Erfahrungen aus der Zeit vor dem Holocaust zurück und greift hierbei eine nicht nur innerhalb der europäischen Lyrik zentrale Tradition dichterischen Sprechens auf. Wie bei Dante oder Petrarca wird gerade die Erinnerung an die tote Geliebte zum Auftrag der Dichtung. Angesichts der historischen Erfahrung Celans aber verschmelzen bei ihm in der Evokation der Geliebten Mutter, Frau, Schechina, jüdisches Volk, alle Geächteten und Vernichteten. Celan entzieht das Totengedenken dem - wie von Orpheus schmerzhaft erfahren - im zweiten Rückblick erst gestifteten eigentlichen Tod, dem völligen Erstarren und hält es statt dessen im Akt des Eingedenkens selbst gleichsam lebendig. Als solches kann es nämlich eine neue Möglichkeit des Sprechens eröffnen: das aus dem Verlust des Gegenübers erwachsene Zu-sich-selbst-Kommen. Verweist der Bezug auf die Mutter psychologisch gesehen auf eine regressive persönliche Entwicklung, so läßt er sich historisch umbiegen in das Paradigma eines um nichts weniger regressiven Geschichtsbildes: indem Geschichte als das Vergangene bezeichnet und letztlich der Realität der Gegenwart entzogen wird. Im Gegensatz dazu ermöglicht der Rekurs auf die tote Geliebte ein stark gegenwartsbezogenes Geschichtsbild: spätestens seit Petrarca vergewissert sich der Dichter immer wieder der Präsenz der Geliebten gerade in der Nichtanerkennung ihrer Unerreichbarkeit, durch welche das unwiederbringlich Vergangene im Ansprechen präsent gehalten wird. Damit erscheint auch das historische Geschehen als immer wieder aktualisierte, unüberwindliche Gegenwart, als Präsenz in der trauernd eingestandenen Anwesenheit der Abwesenheit.

Celan hat in der Neugestaltung des Bandes Mohn und Gedächtnis einen entscheidenden Schritt vollzogen, der in der Rezeption weitgehend unbeachtet geblieben ist, der für den Erinnerungsauftrag seiner Dichtung wie für deren poetologische Begründung jedoch von weitreichender Bedeutung gewesen ist. Die in der Diskussion um das Gedicht Celans immer wieder vorgenommene Konfrontation der Begriffe Muttersprache / Mördersprache erweist sich demgegenüber als ein Konstrukt, welche die vielschichtigen ebenso gegenwarts- wie realitätsbezogenen Dimensionen von Celans Sprechen einseitig verkürzt. Der Überlebende des Holocaust wird zurückgeworfen auf den regressiven Gestus; er übernimmt als "Alibijude" - wie Celan in großer Bitterkeit von sich selbst sagte - die Rolle des sprechenden schlechten Gewissens jener, welche nach wie vor die Mördersprache ihrer Mütter ungebrochen sprechen und schreiben. Indirekt erscheint er damit aber auch als unabweisbarer Ankläger und wird deshalb ebenso gehasst wie das schlechte Gewissen selbst. Die Akklamation enthält implizit auch die Abwehr gegenüber solcher Anklage. Weder am Gedicht Schwarze Flocken noch an der Todesfuge ist m.E. bisher ausreichend untersucht worden, wie Celan das historische Geschehen als ein sprachlich vermitteltes Geschehen zu analysieren und in aktuelle Rede zu überführen vermag: in eine Rede, die sich der Spuren der Geschichte im eigenen Sprechen immer wieder von neuem bewusst wird. Celan mußte das Gedicht Schwarze Flocken eben deshalb aus dem Band Mohn und Gedächtnis ausscheiden, weil der zu persönlich zu lesende Dialog zwischen Mutter und Kind eben allzu sehr auf seine Person zu beziehen war, weil er zu sehr affektiv besetzt, weil er Mitleid heischend war. Diesen Affekt nimmt die Todesfuge bewusst zurück in die kalte Sprache der perfekten Struktur, welche der 'Meisterschaft' der nationalsozialistischen Todesindustrie gleichwohl angemessen erscheint.

Celans Gedicht hat nicht das Verständnis gefunden, das er sich erhofft hat. Noch Ende 1959 nennt Günter Blöcker in einer Rezension die Todesfuge "kontrapunktische Exerzitien auf dem Notenpapier fern von jedem Wirklichkeitsbezug".18 Über diese Formulierung war Celan zutiefst verletzt; als Reaktion darauf entstand das umfangreiche Gedicht Wolfsbohne. Es steht unüberhörbar in Verbindung mit den beiden soeben besprochenen Gedichten, indem es das Gespräch mit der Mutter aus der späteren historischen Perspektive wieder aufnimmt. Hier ist der Kontext nun aber auch die selbst erlebte Anfeindung, der "Umgang", den Celan persönlich und mit seinem Werk in den fünfziger und sechziger Jahren erfahren mußte. Auch dieses Gedicht hatte er zunächst zur Veröffentlichung vorgesehen; die Druckfahnen lagen schon vor, als die Entscheidung fiel, es doch nicht zu publizieren. In einem Brief an den damaligen Lektor des Fischer Verlages schreibt Celan : "[...] dieses Gedicht [...] bleibt also privat, und nun bitte ich Sie, es ganz ins Private zurückkehren zu lassen und es bei Gelegenheit zurückzuschicken."19 Nun ist das Gedicht in der Nachlaßedition aus dem versunkenen Privaten des Menschen Celan in die Öffentlichkeit zurückgekehrt. Es ist das wohl bedrückendste Zeugnis über den "Umgang" mit Person und Werk eines Dichters, der wie kaum ein anderer das persönliche Leid vieler Einzelner in einer uns alle betreffenden Sprache erfaßt hat.

Endnoten

1 Geringfügig überarbeitete Fassung eines Vortrags, den ich am 5. Juli 2001 in der "Vortragsreihe Wissenschaft" im Institut für deutsche Kultur und Geschichte Südosteuropas in München gehalten habe.

2 Die Texte Celan werden zitiert nach der Ausgabe: Paul Celan: Gesammelte Werke in fünf Bänden. herausgegeben von Beda Allemann und Stefan Reichert unter Mitwirkung von Rolf Bücher. Frankfurt a.M. 1983 (Bandzahl mit römischen, Seitenzahl mit arabischen Ziffern).

3 Wolfgang Emmerich: Paul Celan. Reinbek bei Hamburg 1999.

4 Vgl. dazu Wolfgang Benz: Bilder vom Juden. Studien zum alltäglichen Antisemitismus. München 2001.

5 Paul Celan - Gisèle Celan-Lestrange: Briefwechsel. Mit einer Auswahl von Briefen Paul Celans an seinen Sohn Eric. Aus dem Französischen von Eugen Helmlé. Herausgegeben und kommentiert von Bertrand Badiou in Verbindung mit Eric Celan. Anmerkungen übersetzt und für die deutsche Ausgabe eingerichtet von Barbara Wiedemann. Erster Band: Briefe. Zweiter Band: Kommentar. Frankfurt a.M. 2001, hier Zweiter Band: Kommentar, S. 11.

6 Ebd. Erster Band: Briefe, S. 63.

7 Vgl. hierzu die Amsterdamer Dissertation von Ulrich Konietzny: "Lesen Sie! Immerzu nur lesen, das Verständnis kommt von selbst." Die Bedeutung von Intention und Rezeption beim Verständnis der Lyrik Paul Celans. Utrecht 1987.

8 Paul Celan - Die Goll-Affäre. Dokumente zu einer >Infamie<. Zusammengestellt, herausgegeben und kommentiert von Barbara Wiedemann. Frankfurt a.M. 2000.

9 In dieser Form erscheint der Begriff erstmals in der Übersetzung eines Textes von Andrea Zanzotto über Paul Celan: Andrea Zanzotto: Aufzeichnungen zu Paul Celan. Aus dem Italienischen von Michael Speier und Cäcilie Glinz. In: Park 39/40 (1991), S. 13-

17, hier S. 15. Es erscheint wieder im Titel eines Bands von Theo Buck: Muttersprache, Mördersprache. Fünf Versuche über Paul Celan. Aachen 1993, mit dem Buck seine Reihe von "Celan-Studien" eröffnete.

10 Im Gespräch mit Christoph Perels, der mir diese Bemerkung brieflich mitteilte. Vgl. dazu genauer Verf., Das Gedicht im Geheimnis der Begegnung. Dichtung und Poetik Celans im Kontext seiner russischen Lektüren. Tübingen 1996, S.37.

11 Vgl. Jochim Seng: Auf den Kreis-Wegen der Dichtung. Zyklische Komposition bei Paul Celan am Beispiel der Gedichtbände bis »Sprachgitter«. Heidelberg 1998.

12 Das kleine lederne Notizbüchlein wurde später als Faksimile von Ruth Kraft ediert: Paul Celan: Gedichte 1938-1944. Faksimilie und Transkription der Handschrift. Mit einem Vorwort von Ruth Kraft. Frankfurt a.M. 1985.

13 Dies wird jedoch im Apparat zur Edition jeweils ausdrücklich vermerkt. Über die Schwierigkeiten der editorischen Entscheidung in solchen Fällen legt das Nachwort Rechenschaft ab: "Gerade den umfangreichen Nachlaß der beiden letzten Lebensjahre jedoch hat er [= P.C.] mit apodiktischen Etiketten belegt wie »Nicht veröffentlichen!«, »Niemals veröffentlichen!«, »Unveröffentlichbar«. Vernichtet, wie er es mit anderen Arbeiten ganz offensichtlich getan hat - das zeigen Spuren, von den Resten herausgerissener Notizbuch-Manuskripte bis zu >verwaisten< Titeln -, hat Paul Celan diese Gedichte jedoch nicht. Vielmehr hat er sie aufbewahrt, z.T. sogar wohlgeordnet und mit allen ihren Vorstufen. Beides, das Publikationsverbot wie der Akt des Bewahrens, muß als Teil des einen letzten Willens gesehen werden. So wird die vorliegende Publikation von 218 Nachlaßgedichten, die sich in Teibereichen über einen ausdrücklich geäußerten Willen hinwegsetzt, gerade auch durch jene Ambivalenz im Umgang mit dem eigenen Werk legitimiert." Paul Celan: Die Gedichte aus dem Nachlaß. Herausgegeben von Bertrand Badiou, Jean-Claude Rambach und Barbara Wiedemann. Anmerkungen von Barbara Wiedemann und Bertrand Badiou. Frankfurt a.M. 1997, S. 332.

14 Vgl. Paul Celan - Nelly Sachs: Briefwechsel. Herausgegeben von Barbara Wiedemann. Frankfurt a.M. 1993; Paul Celan - Franz Wurm: Briefwechsel. Herausgegeben von Barbara Wiedemann in Verbindung mit Franz Wurm. Frankfurt a.M. 1995; Paul Celan - Hanne und Hermann Lenz: Briefwechsel. Mit drei Briefen von Gisèle Celan-Lestrange. Herausgegeben von Barbara Wiedemann in Verbindung mit Hanne Lenz. Frankfurt a.M. 2001.

15 Vgl. Paul Celan - Gisèle Celan-Lestrange: Correspondance. Avec un choix de lettres de Paul Celan à son fils Eric. Éditée et commentée par Bertrand Badiou avec le concours d'Eric Celan. T. I: Lettres. T. II: Commentaires et illustrations. Paris 2001; Paul Celan - Gisèle Celan-Lestrange: Briefwechsel (Anm. 5).

16 Zitiert nach Paul Celan: Das Frühwerk. Herausgegeben von Barbara Wiedemann. Frankfurt a.M. 1989, S. 129. Der Erstdruck erfolgte in Plan 2 (Wien 1948, S. 365) unter dem Titel Schnee ist gefallen; wieder publiziert in III, 25.

17 Das Gedicht erschien später unter dem Titel Dunkles zu sagen. Vgl. Ingeborg Bachmann: Werke. Herausgegeben von Christine Koschel, Inge von Weidenbaum, Clemens Münster. Erster Band: Gedichte. Hörspiele. Libretti. Übersetzungen. München 1978, S. 32.

18 Im Berliner Tagesspiegel vom 11.10.1959. Vgl. dazu die ausführliche Darstellung von Barbara Wiedemann im Band Gedichte aus dem Nachlaß. (Anm. 13), S. 359.

19 Ebd.