glossen 24
Im Straßencafé
Die dicke Dame, die mit dem kleinen Hund vorübergeht, bleibt urplötzlich
stehen, zieht aus ihrer Handtasche eine Waffe und schießt zweimal in die
Luft. Dann nimmt sie das verschreckte Tier auf den Arm und trippelt weiter.
„Das hat sie extra gemacht!“, sagt der Kellner. „Der Dackel
würde sich sonst nämlich niemals auf den Arm nehmen lassen.“
„Da hat sie ihn ja richtig auf den Arm genommen, ha, ha!“, sage ich scherzend.
„Recht haben Sie“, sagt der Kellner, „und Glück! Denn
manchmal vergißt sie, in die Luft zu schießen und feuert einfach
so vor sich hin. Letzte Woche zum Beispiel hat sie versehentlich einen jungen
Mann erschossen, der genau da saß, wo Sie jetzt sitzen...“
„Ach“, sage ich, „dann sind das hier gar keine Rotweinflecken
auf der Tischdecke?“
„I wo!“, sagt der Kellner im Weggehen, „das ist Blut!“
In diesem Moment sehe ich, wie die dicke Dame gerade wieder um die Ecke biegt.
Neben ihr trottet der Dackel.
„Zahlen!“, rufe ich, „aber schnell bitte!“
Michael Augustin
Café de la Lune, Metz
11.IX. 2006