Glossen 25

Hans Joachim Schädlich

Tischgespräch


Die Tischrunde
Der Hausherr, emeritierter Professor der Rechte
Die Hausherrin, Hausfrau
Der Sohn des Hauses, Archivgehilfe
Die Tochter des Hauses, Verlagsmitarbeiterin
Der Mann der Tochter des Hauses, Institutsmitarbeiter
Das Töchterchen, Tochter der Tochter des Hauses und ihres Mannes
Der Fernseher


 

Der Hausherr: Da wird immer gesagt, Albertus Magnus und Thomas von Aquin seien Scholastiker gewesen. Aber ich sage, das stimmt nicht; für mich waren die beiden keine Scholastiker. Wie heißt doch gleich der arabische Philosoph...

Das Töchterchen: Ich kann schon „Alle meine Entchen“ auf der Triola blasen.

Die Hausherrin (zur Enkeltochter): Hast Du Dir vorm Essen die Hände gewaschen?

Der Hausherr: Wie heißt der arabische Philosoph, von dem die beiden Scholastiker Albertus Magnus und Thomas von Aquin das Vernunftprinzip übernommen haben, die angeblichen Scholastiker,...

Der Sohn des Hauses: Wißt ihr, was meine Wirtin gesagt hat, als ich ihr zum Neuen Jahr einen Blumentopf geschenkt...

Der Hausherr: ... für mich waren die beiden keine Scholastiker.

Der Mann der Tochter des Hauses: Ich habe keine Ahnung, wie der arabische Philosoph heißt,...

Die Tochter des Hauses: Kann ich bitte die Butter haben.

Die Hausherrin: Koste doch auch den Rettich. Magst du keinen Rettich?

Das Töchterchen: Ich muß mal auf’s Klo.

Der Mann der Tochter des Hauses: ... aber ich kann mich danach erkundigen.

Der Hausherr: Wie heißt bloß der arabische Philosoph...

Die Tochter des Hauses: Ausgerechnet beim Essen musst du auf’s Klo.

Der Sohn des Hauses: Meine Wirtin hat gesagt: der schönste Tag des Jahres wird sein, wenn sie ausziehen.

Die Tochter des Hauses: Rettich esse ich nicht. Was glaubst du wohl, wie du danach aus dem Mund riechst.

Die Hausherrin (zur Enkeltochter): Na geh schon. Aber wasch dir hinterher die Hände.

Das Töchterchen (zum Sohn des Hauses): Du hast Quark am Kinn.

Der Hausherr: In Berlin gibt es einen Philosophen, der hat ein dickes Buch über arabische Philosophie geschrieben. Den könnte man fragen, wie der arabische Philosoph heißt...

Der Sohn des Hauses: Der Sohn meiner Wirtin, diese Rotznase, hat gestern zu mir gesagt: Bist du schon wieder da? Was willst du eigentlich bei uns.

Die Hausherrin (zur Enkeltochter): Hast du dir hinterher die Hände gewaschen?

Das Töchterchen: Ja.

Die Hausherrin: Du sollst nicht lügen!

Der Hausherr: Wie heißt doch der Philosoph in Berlin, der ein dickes Buch über arabische Philosophie geschrieben hat.

Die Hausherrin: Stellt euch vor: es gibt kein Rosodont. Wie soll ich da mein Gebiß sauberhalten.

Der Hausherr (zum Sohn des Hauses): Der Sohn deiner Wirtin sagt nur, was er von seinen Eltern hört.

Die Tochter des Hauses (zum Sohn des Hauses): Wenn man dich so essen sieht...

Die Hausherrin: Sprecht doch mal von was anderem.

Das Töchterchen: Kann ich jetzt „Sandmännchen“ sehen?

Der Hausherr: Ich besitze doch das dicke Buch von dem Berliner Philosophen, wie heißt der denn bloß.

Die Tochter des Hauses: Ja, mach den Fernseher an.

Der Sohn des Hauses: Ich versteh nicht, warum bei uns Pornographie verboten ist.

Die Tochter des Hauses (zum Hausherrn): Wenn du das dicke Buch von dem Berliner Philosophen besitzt, dann können wir doch nachsehen, wie er heißt und wie der arabische Philosoph...

Der Fernseher (sehr laut): „Sandmann, lieber Sandmann, es ist noch nicht soweit...“

Die Tochter des Hauses (zu ihrem Mann): Du sagst gar nichts, du ißt bloß. Na, Hauptsache, es schmeckt.

Der Sohn des Hauses: Wenn ich nicht regelmäßig Hefe-Extrakt esse, habe ich überhaupt keinen Stuhlgang.

Die Hausherrin (zur Enkeltochter): Mach den Fernseher leiser.

Die Tochter des Hauses (zu ihrem Mann): Du müßtest dir mal wieder die Haare waschen, ist ja alles voller Schuppen.

Die Hausherrin: Sprecht doch mal von was anderem.

Der Sohn des Hauses: Kommunisten sind alle Verbrecher.

Der Hausherr: Der arabische Philosoph, das war der Lehrer von Albertus Magnus und Thomas von Aquin, der hat gesagt: Kinder, arbeitet doch mit der Vernunft. – Und Albertus Magnus hat das gemacht. Er hat geschrieben: Gott kann man nicht beweisen, Gott und Materie sind eins, na also, und wenn ihr mich fragt, ich als Wissenschaftler sage: die beiden waren gar keine Scholastiker.