Glossen
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Hans Joachim Schädlich TischgesprächDie Tischrunde
Der Hausherr: Da wird immer gesagt, Albertus Magnus und Thomas von Aquin seien Scholastiker gewesen. Aber ich sage, das stimmt nicht; für mich waren die beiden keine Scholastiker. Wie heißt doch gleich der arabische Philosoph... Das Töchterchen: Ich kann schon „Alle meine Entchen“ auf der Triola blasen. Die Hausherrin (zur Enkeltochter): Hast Du Dir vorm Essen die Hände gewaschen? Der Hausherr: Wie heißt der arabische Philosoph, von dem die beiden Scholastiker Albertus Magnus und Thomas von Aquin das Vernunftprinzip übernommen haben, die angeblichen Scholastiker,... Der Sohn des Hauses: Wißt ihr, was meine Wirtin gesagt hat, als ich ihr zum Neuen Jahr einen Blumentopf geschenkt... Der Hausherr: ... für mich waren die beiden keine Scholastiker. Der Mann der Tochter des Hauses: Ich habe keine Ahnung, wie der arabische Philosoph heißt,... Die Tochter des Hauses: Kann ich bitte die Butter haben. Die Hausherrin: Koste doch auch den Rettich. Magst du keinen Rettich? Das Töchterchen: Ich muß mal auf’s Klo. Der Mann der Tochter des Hauses: ... aber ich kann mich danach erkundigen. Der Hausherr: Wie heißt bloß der arabische Philosoph... Die Tochter des Hauses: Ausgerechnet beim Essen musst du auf’s
Klo. Der Sohn des Hauses: Meine Wirtin hat gesagt: der schönste Tag des Jahres wird sein, wenn sie ausziehen. Die Tochter des Hauses: Rettich esse ich nicht. Was glaubst du wohl, wie du danach aus dem Mund riechst. Die Hausherrin (zur Enkeltochter): Na geh schon. Aber wasch dir hinterher die Hände. Das Töchterchen (zum Sohn des Hauses): Du hast Quark am Kinn. Der Hausherr: In Berlin gibt es einen Philosophen, der hat ein dickes Buch über arabische Philosophie geschrieben. Den könnte man fragen, wie der arabische Philosoph heißt... Der Sohn des Hauses: Der Sohn meiner Wirtin, diese Rotznase, hat gestern zu mir gesagt: Bist du schon wieder da? Was willst du eigentlich bei uns. Die Hausherrin (zur Enkeltochter): Hast du dir hinterher die Hände gewaschen? Das Töchterchen: Ja. Die Hausherrin: Du sollst nicht lügen! Der Hausherr: Wie heißt doch der Philosoph in Berlin, der ein dickes Buch über arabische Philosophie geschrieben hat. Die Hausherrin: Stellt euch vor: es gibt kein Rosodont. Wie soll ich da mein Gebiß sauberhalten. Der Hausherr (zum Sohn des Hauses): Der Sohn deiner Wirtin sagt nur, was er von seinen Eltern hört. Die Tochter des Hauses (zum Sohn des Hauses): Wenn man dich so essen sieht... Die Hausherrin: Sprecht doch mal von was anderem. Das Töchterchen: Kann ich jetzt „Sandmännchen“ sehen? Der Hausherr: Ich besitze doch das dicke Buch von dem Berliner Philosophen, wie heißt der denn bloß. Die Tochter des Hauses: Ja, mach den Fernseher an. Der Sohn des Hauses: Ich versteh nicht, warum bei uns Pornographie verboten ist. Die Tochter des Hauses (zum Hausherrn): Wenn du das dicke Buch von dem Berliner Philosophen besitzt, dann können wir doch nachsehen, wie er heißt und wie der arabische Philosoph... Der Fernseher (sehr laut): „Sandmann, lieber Sandmann, es ist noch nicht soweit...“ Die Tochter des Hauses (zu ihrem Mann): Du sagst gar nichts, du ißt bloß. Na, Hauptsache, es schmeckt. Der Sohn des Hauses: Wenn ich nicht regelmäßig Hefe-Extrakt esse, habe ich überhaupt keinen Stuhlgang. Die Hausherrin (zur Enkeltochter): Mach den Fernseher leiser. Die Tochter des Hauses (zu ihrem Mann): Du müßtest dir mal wieder die Haare waschen, ist ja alles voller Schuppen. Die Hausherrin: Sprecht doch mal von was anderem. Der Sohn des Hauses: Kommunisten sind alle Verbrecher. Der Hausherr: Der arabische Philosoph, das war der Lehrer von Albertus Magnus und Thomas von Aquin, der hat gesagt: Kinder, arbeitet doch mit der Vernunft. – Und Albertus Magnus hat das gemacht. Er hat geschrieben: Gott kann man nicht beweisen, Gott und Materie sind eins, na also, und wenn ihr mich fragt, ich als Wissenschaftler sage: die beiden waren gar keine Scholastiker.
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