Glossen 27

Gerd Sonntag
Meine Bilder verhaftet

Ihr Malgründe, Pappen, ihr Linien auf Leinwand.
Befehl kam und Tür schlug. Ich schrieb eure Namen
Auf ein Papier, vor mir hingelegt,
Zu füllen mit Verrat das noch leere
Steifauge. Fusel. Geschoss machen Bauch auf.
So rief ich Euch nach. Ihr wart schweigend.

Ihr ließet mich zurück allein,
Totsein und Totmachen, tiefe Ehe,
Träume aus Südsee und Lebenwollen,                          
Porträts ihrer Dinge, von mir errichtet.                           
Bild des Soldaten, du warst kein Soldat mir
Und ich zu schwach dazu.

Die Wächter, sie sprachen nicht laut:
Ihr Wille würde sich Wege ziehen
Durch euere aufzureißende Haut.
Ich hatte euch nicht verteidigt,
Nur für euer Dasein gesprochen,
Worin verloren ich euch nicht mehr fand,

Wovon ich nicht schreiben kann.

 


4 - 5 Monate vor dem Ende meines Wehrdienens in der DDR-Armee, wurden meine auf einem Kasernen-Dachboden gemalten Bilder von der Behörde kassiert und später eingemüllt, ich selber kurzzeitig festgesetzt. Auf einigen meiner Leinwände war der Suizid von Soldaten umschrieben, Waffen, Hände, unbeweglich geworden die verdrehten Augen, auf anderen die Lust, die Trunkenheit, Krüge, Flaschen, Gläser. Gemalt hatte ich damals auf abgelegte Spruchbänder, die ich mir in der Kaserne einsammelte. Das war 1976. Ich war bereits 22 Jahre alt und schrieb mir diese Zeilen. (Gerd Sonntag)