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"Unsere Republik beruhte auf einer Lüge" — Marion Hussong im Gespräch mit Milo Dor zum Thema "Vergangenheitsbewältigung in der österreichischen Literatur".

Ihr erster Roman, Tote auf Urlaub (1952), schilderte erstmals in der österreichischen Literatur ganz konkret die Verfolgung und Folterungen politischer Häftlinge im Nationalsozialismus. Waren Sie sich, als Sie an dem Buch arbeiteten, bewußt, Pionierarbeit zu leisten?

Als ich das Buch Tote auf Urlaub geschrieben habe, habe ich über die Folgen, über das Echo oder über die Reaktionen gar nicht nachgedacht. Ich habe ganz einfach das Bedürfnis verspürt, ein Buch zu schreiben über meine Erlebnisse während des Zweiten Weltkrieges, über diese grausame Zeit des Nationalsozialismus und auch später, des Stalinismus. Ich mußte es mir von der Seele schreiben und war mir gar nicht bewußt, daß ich eigentlich einer der ersten österreichischen Autoren war, der sich mit dieser Epoche auseinandersetzte. Zur gleichen Zeit waren da auch Ilse Aichinger, die den Roman Die größere Hoffnung geschrieben hat, mein Freund Reinhard Federmann mit seinem Roman Die Chronik einer Nacht und Alexander Lernet-Holenia mit der Novelle Der 20. Juli, die sich auch mit dem Thema auseinandersetzte, an der Arbeit. Später gab es dann noch andere, aber wir waren die ersten. Ich kann mich nicht erinnern, daß noch andere damals darüber geschrieben hatten.

Das Schreiben des Romans war wohl die einzige Möglichkeit, mit diesem Alptraum fertig zu werden. Es war eine Art Therapie, dieses Buch zu schreiben, denn ich habe nach dem Krieg noch unter Verfolgungswahn und Alpträumen gelitten. Diese Folterungen und Morde, die man mit ansehen mußte, bleiben in einem stecken. Das Schreiben befreite davon -- wenn man alles für andere festhält. Die Reaktionen auf den Roman waren in der Presse teils positiv, teils warf man mir aber in Österreich auch vor, ich sei pervers und hätte diese Folterungen nur erfunden, was natürlich ein Blödsinn ist, denn ich habe sie selbst miterlebt. Ich habe sie nur mit großer Beherrschung schildern können, um zu zeigen, was ein Mensch dem andern antun kann und auch antut; übrigens auch heute noch, in gewissen Gegenden. Es kam mir dann so merkwürdig vor, als mir bewußt wurde: die Leute wollten das verdrängen. Die Reaktion auf den Roman beschränkte sich weitgehend auf die Presse; das Buch wurde zunächst kein Verkaufserfolg. Die Menschen waren wohl noch nicht reif dafür. Erst jetzt hat sich das geändert. Viele Kollegen, auch junge, schreiben jetzt über diese Zeit, nur hat sich natürlich inzwischen die Perspektive verschoben.

Das Problem war nicht, darüber zu schreiben und Rechenschaft abzulegen. Unser Problem war die Reaktion des Publikums. Wir sind ganz einfach jahrzehntelang verschwiegen worden, unter den Tisch gekehrt worden. Wir haben praktisch alle in Deutschland veröffentlicht, wo die Atmosphäre und vor allem die Rezeption besser war als in Wien. Das ist darauf zurückzuführen, daß wir in Österreich eine, auf österreichisch gesagt, "verhatschte" Situation hatten, weil Österreich natürlich am Krieg teilgenommen hatte und die Österreicher natürlich 1938 Hitler am Wiener Heldenplatz begeistert begrüßt hatten. Das haben sie nachher bedauert und sich davon distanziert, aber sie haben sich nach dem Krieg nie ganz von der Nazizeit gelöst. Schuld daran war die Moskauer Deklaration von 1943, in der erklärt wurde, daß Österreich das erste von Hitlerdeutschland eroberte Land gewesen sei. Demnach waren die Österreicher keine Nazis. Man brauchte die Vergangenheit daher nicht aufzuarbeiten. Unsere Republik beruht auf einer Lüge, mit der man sich erst nach und nach auseinandergesetzt hat. Das war unser Problem als Schriftsteller: wir Autoren setzten uns sehr wohl damit auseinander, hatten aber kein Echo und wurden nicht rezipiert.

Welchen Standpunkt vertraten Sie in der Diskussion um Adornos Postulat, nach dem Holocaust Gedichte zu schreiben, sei barbarisch?

Ich glaube, der gute Adorno hat da geirrt. Übrigens gibt es da noch ein früheres Beispiel von Karl Kraus, das auf den Ersten Weltkrieg zurückgeht: "Wer etwas zu sagen hat, der trete vor und schweige!" Auch er stellte damit die Frage, ob es möglich ist, über etwas zu schreiben, das derart erschütternd ist. Aber da wäre zu entgegnen: man muß es halt können. Celan widerlegt für mich mit der "Todesfuge" Adorno. Er hat die Form gefunden. Generell ist zu sagen: man muß sich distanzieren können und den nötigen Abstand gewinnen. Man hat mir vorgeworfen, daß Tote auf Urlaub zu kühl ist. Aber das war die einzige Möglichkeit, das Buch zu schreiben -- mit großer Distanz diese Grausamkeiten zu schildern. Man muß da ganz emotionslos schildern, um Emotionen hervorrufen zu können. Wenn man emotional schreibt, larmoyant oder voll Selbstmitleid, dann kann man das nicht erreichen. Man muß kühl schildern und analysieren, anders geht es nicht. Es kommt darauf an, wie man schreibt und ob man es schafft, sich zur nötigen Distanz durchzuringen. Wir haben es versucht und ich glaube, daß Die größere Hoffnung von Ilse Aichinger und der zu Unrecht vergessene Roman Chronik einer Nacht von Reinhard Federmann in anderen Ländern ein anderes Echo gehabt hätten. Bei mir ist das noch eher verständlich: ich bin ja ein Außenseiter, deshalb, weil ich als gebürtiger Serbe aus einem anderen Milieu und einem anderen Land gekommen bin, aber die beiden waren Wiener und hier verwurzelt, und sie haben unter ihren Landsleuten keine großen Freunde gehabt. Das hat sich erst nach und nach geändert.

Wenn man von den Werken vereinzelter Autoren absieht, setzte also die literarische Vergangenheitsbewältigung in Österreich später ein als in Deutschland. Wie empfanden Sie, als engagierter Autor, das literarische Klima in Österreich in den sechziger und siebziger Jahren?

Die Verspätung der Auseinandersetzung mit der nationalsozialistischen Vergangenheit in Österreich habe ich im Hinblick auf die unmittelbare Nachkriegszeit bereits angesprochen. Es ist hinzuzufügen, daß es natürlich schon richtig war, daß sich unsere Politiker auf die Moskauer Deklaration berufen haben und versuchten, die Alliierten davon zu überzeugen, wir seien keine Nazis gewesen. Das war deshalb richtig und wichtig, weil es zum Zustandekommen des Staatsvertrages und damit zur Wiedererlangung der Unabhängigkeit Österreichs beigetragen hat, aber dieses Verdrängen hat sich später wie ein Zeitzünder verhängnisvoll ausgewirkt. In der Waldheim-Affäre ist es dann publik geworden, daß bei uns etwas nicht stimmt. Die Haltung des Herrn Waldheim, seine Verteidigungspolitik, waren auf diese offizielle Politik zurückzuführen. In dieser Atmosphäre konnten solche Menschen wie er Karriere machen. Autoren, die auf die politische Vergangenheit Österreichs aufmerksam machten, hingegen kaum. Es gibt da viele Beispiele in der Literatur, auch in noch in den sechziger Jahren: Hans Lebert blieb erfolglos, Ingeborg Bachmann ging nach Deutschland, weil die dortige kulturelle Atmosphaere und die deutschen Intellektuellen offener waren. Rundfunk und Zeitungen haben sich dort für uns interessiert, die Verlage standen uns zur Verfügung -- wir haben in den fünfziger und sechziger Jahren alle in Deutschland publiziert. Erst in den siebziger Jahren hat sich hier einiges geändert, obwohl noch immer diese Vertuschungen da waren. Aber es war nicht mehr so provinziell und klerikal, im Rundfunk und in der Presse etwa. Die echte Auseinandersetzung mit der Vergangenheit erfolgte aber erst in den achtziger und neunziger Jahren. Ich habe festgestellt, daß die jüngere Autorengeneration, wie etwa Robert Schindel und Robert Menasse, Gerhard Roth und Josef Haslinger, von uns gar nichts gewußt hatten. Unsere Arbeit wurde so verschwiegen und ignoriert, daß sie uns alle gar nicht gekannt haben. Es ist deshalb keine natürliche Entwicklung da von einer Rezeptionsgeneration zur nächsten. Die ganz jungen, heute Zwanzigjährigen, sind nun sehr wißbegierig und suchen uns Großeltern als Gesprächspartner darüber, was damals passiert und später verdeckt worden ist. Das ist eine erfreuliche Entwicklung.

Zum Entstehen der Rezeptionslücke trug auch die Germanistik bei. Die Germanistik zur österreichischen Nachkriegsliteratur konzentrierte sich jahrzehntelang lieber auf Autoren, die thematisch und stilistisch eigentlich dem neunzehnten Jahrhundert angehörten, wie etwa Heimito von Doderer.

Die Affäre Waldheim belebte Mitte der achtziger Jahre die Auseinandersetzung mit der nationalsozialistischen Vergangenheit in Österreich. Sie gaben damals den Protestband Die Leiche im Keller. Dokumente des Widerstands gegen Dr. Kurt Waldheim heraus. Wie kam dieses Buch zustande?

Die Affäre Waldheim war eine Explosion. Damals ist die Bombe geplatzt und man hat gesehen, was alles falsch ist. Natürlich war Herr Waldheim kein überzeugter Nazi; er hat auch keine Kriegsverbrechen begangen, aber er hat an allem teilgenommen, war Nachrichtenoffizier, so daß er informiert war. Er hat nachher einfach gelogen, weil er daran gewohnt war, daß unsere Politik diese Art von Lüge sanktioniert. Er behauptete, er hätte nichts gewußt von der Verschleppung der Juden in Saloniki, obwohl er in Saloniki war und man den Transport von 50.000 Juden in drei Tagen nicht so einfach übersehen kann. Vor allem hat er erklärt, er hätte während des Krieges seine Pflicht getan, wie so viele andere österreichische Soldaten. Das ist ungeheuerlich, denn man kann nicht als Bundespräsident sagen, man hätte in einem offiziell okkupierten Land seine Pflicht zur Vaterlandsverteidigung getan -- in einer Uniform der deutschen Wehrmacht. Hätte er gesagt, er wäre gezwungen worden wie viele andere Österreicher und festgestellt, er hätte furchtbare Dinge gesehen, es wäre wahrscheinlich nichts passiert. Aber er hat einfach gelogen. In unserem Buch Die Leiche im Keller, empörten sich viele Autoren gegen diese Haltung und verlangten seine Absetzung, weil er die Wähler hereingelegt hatte. Er war unehrlich, was symptomatisch war für die jahrzehntelange Unehrlichkeit der österreichischen Politik. Einige Jahre darauf sprach dann der damalige Bundeskanzler Vranitzky erstmals öffentlich von der Mitschuld Österreichs, was ihm hoch anzurechnen ist.

Das Buch, Die Leiche im Keller, lag damals in der Luft. Viele gute Autoren, darunter Erich Fried in London, reagierten mit Empörung auf die Affäre Waldheim. Doch das Buch war überhaupt kein Erfolg, ist nie populär geworden, und das ist bedenklich. Eigentlich müßten einige Beiträge in die Schulbücher, aber auch hier wird wieder verdrängt. Es widerstrebt mir, von Nationalcharakter zu reden, denn den gibt es ja nicht, das ist eine Erfindung, aber es gibt trotzdem Dinge, die da zusammenwirken. Zum Beispiel diese Entwicklung in der Nachkriegszeit: man hat da verdrängt, dann hat man alles endlich zur Sprache gebracht, und schon kurz darauf heißt es: das wissen wir sowieso alles, lassen wir es lieber endlich ruhen nach all den Jahren. Es gibt da diese Tendenz der Österreicher, gemütlich weiter "fortzuwurschteln" und sich nicht allzusehr aufzuregen. Dabei geht es ja gar nicht um Schuldzuweisungen -- ich will keinen beschuldigen, der damals gezwungen worden ist oder in der Jugend begeisterter Nationalsozialist war. Es geht mir darum, was man heute damit macht, wie man heute dazu steht. Daß man sich damit ehrlich auseinandersetzt. Es gibt unter den Autoren, wie gesagt einige, die das getan haben, zum Beispiel Hans Lebert mit seinem Roman Die Wolfshaut, der überhaupt kein Erfolg war und erst jetzt wieder aufgelegt wurde und wieder kein breites Publikum gefunden hat. Reinhard Federmanns Das Himmelreich der Lügner, ein hochinteressantes und gut geschriebenes Buch ist ebenfalls neu aufgelegt und positiv rezensiert worden, ohne wirklich Leser zu gewinnen. Auch Ilse Aichingers Roman Die größere Hoffnung erlebte erst jetzt in Österreich zum 75. Geburtstag der Autorin einen Achtungserfolg. Diese Bücher hätten damals gelesen werden müssen. Es ist tragisch für einen Autor, auf Ablehnung zu stoßen. Das war keine literarische Ablehnung gewesen, sondern basierte auf den Aussagen der Autoren, auf ihrer Art der Schilderungen, auch wenn sie noch so objektiv war.

Sie haben oft Ihre Zweifel ausgedrückt, daß Literatur das Bewußtsein der Menschen direkt verändern kann. Trotzdem fühlten Sie immer den Drang, weiterzuschreiben. Hatte die Literatur in Österreich nicht doch Anteil an der nun doch erfolgten Entwicklung zu einem bewußteren Umgang mit der Geschichte?

Direkt kann die Literatur das Bewußtsein der Menschen nicht verändern, aber indirekt schon. Wenn man an Bestseller mit Millionenauflage denkt, so ist zu sagen, daß diese Bücher meist überhaupt keinen Einfluß haben, es auch nicht darauf anlegen. Aber die kleinen Auflagen von ein paar tausend Exemplaren werden von Menschen gelesen, die sich wirklich interessieren und sich mit dem jeweiligen Thema auseinandersetzen. Und das wird dann übertragen auf andere. Das wirkt dann doch über die Opinion Leaders, wie Lehrer oder Journalisten und manche Politiker und trägt zur Schaffung eines neuen Bewußtseins bei.

Ihr neues Buch, Wien, Juli 1999, malt eine bedrückende Zukunftsvision einer möglichen politischen Wende in Österreich. Ist das Buch Utopie, Warnung, Prophezeiung?

Das Buch ist eine Erzählung, eine Geschichte, die als Pamphlet verfaßt ist. Ich empfinde eben hier noch immer diese dumpfen Reste der Nazi-Atmosphäre. Im Besonderen besorgt mich diese schreckliche, provinzielle, Politik der FPÖ (Freiheitliche Partei Österreichs) die einen krank macht. In letzter Zeit habe ich mich viel mit dem Zerfall Jugoslawiens auseinandergesetzt, wo nun diese kleinen, halbfaschistischen Staaten entstanden sind, deren Führer sich einer ähnlichen Sprache bedienen wie Herr Haider. Es handelt sich um eine Sprache, gegen die man mit sachlichen Argumenten gar nicht ankommt. Ich sehe Wien, Juli 1999 als Pendant zu meinem Buch Leb wohl, Jugoslawien. Es geht um die Hoffnung, daß in einem Land, das eine so leidvolle Geschichte erfahren hat wie Jugoslawien, eine solche politische Entwicklung nicht mehr möglich sein sollte. Es war aber möglich, daß Faschismus, Mord, Vergewaltigung und Vertreibung von diesen Staaten wieder gerechtfertigt werden. Da stellte ich mir die Frage, ob dies auch bei uns wieder passieren könnte. Demgemäß ist auch das Motto des Rabbi Menasse (1604-1657) zu verstehen, das ich dem Buch voranstellte: "Was einmal wirklich war, bleibt ewig möglich". Ich hoffe, daß es bei uns nicht eintrifft. Das Buch ist wohl eher Warnung als Prophezeiung. Obschon -- es gibt da das Buch Die Stadt ohne Juden des jüdischen Schriftstellers Hugo Bettauer (1872-1925), den man umgebracht hat. Das Buch spielte in Wien und prophezeite auf unheimliche Weise die Zukunft... Die Juden fehlen hier nach wie vor ungeheuer. Ich sage mir gelegentlich: meine Leser sind alle schon tot. Immer weniger Zeitgenossen findet man hier, mit denen man offen reden kann -- es sei denn, die ganz Jungen. Ich rede gern mit ihnen, sie suchen das Gespräch und ich habe das Gefühl, daß die auf dem richtigen Weg sind.

Als europäischer Kosmopolit serbischer Herkunft kommentierten Sie in den letzten Jahren immer wieder die Jugoslawienkrise. Sie waren überhaupt immer viel publizistisch tätig. Sind diese Arbeiten ein separater Zweig Ihrer Karriere oder betrachten Sie sie als Bestandteil Ihres literarischen Schaffens?

Es passieren immer wieder Dinge, auf die man reagieren muß. Auf die Jugoslawienkrise mußte ich reagieren. Obwohl ich schon lange nicht mehr in diesem Land lebe, habe ich natürlich die Entwicklung in Jugoslawien verfolgt und durch Freunde und Übersetzungsarbeit nie die Beziehung zu dieser Region verloren. Dieser Zerfall hat mich erschüttert und ich bin viel dazu befragt worden. Ich schreibe auch weiter. Über Jugoslawien und andere Dinge, über Grenzüberschreitungen, über die jüngste Entwicklung im Kosovo, die mich einfach berührt. Es handelt sich bei Literatur und publizistischer Arbeit für mich um zwei verschiedene Prozesse, die in Wechselwirkung stehen: ein Roman braucht lange, man braucht Abstand, um ihn zu schreiben. Ich habe mein Leben lang viel fürs Fernsehen und den Rundfunk geschrieben, über Themen, die mir am Herzen lagen; oft gerade dann, wenn ein Buch über ein verwandtes Thema im Entstehen war.

Können Sie uns zuletzt einen kleinen Wegweiser zusammenstellen, als Einstieg für Leser, die sich für die literarische Vergangenheitsbewältigung in Österreich interessieren: welche Werke zu diesem Thema halten Sie in der österreichischen Literatur für besonders wichtig und lesenswert?

In einem Atem nenne ich Die größere Hoffnung von Ilse Aichinger und Die Chronik einer Nacht und Das Himmelreich der Lügner von Reinhard Federmann. Außerdem Die Wolfshaut von Hans Lebert und Fasching von Gerhard Fritsch, ein Roman, der in den Schulunterricht gehört, aber nicht besprochen wird. Das dauert alles so fürchterlich lang hier -- ich weiß nicht, wie lange man tot sein muß, um in Österreich wiederentdeckt zu werden... Dann natürlich Helmut Qualtinger und Carl Merz, mit ihrem Monolog Der Herr Karl. Und ich schätze auch die Jüngeren, wie Erich Hackl, dessen Buch Sidonie von der Verschleppung eines Zigeunermädchens handelt. Weiters Robert Schindel und Robert Menasse, dessen Buch Schubumkehr sich mit den Resten der Nazi-Ideologie in der Provinz auseinandersetzt. Auf dem Gebiet der Essayistik ist Robert Haslingers Politik der Gefühle ein ganz wichtiges, aufschlußreiches Buch zur Situation in Österreich. Und dann gibt es noch Jüngere, die jetzt erst anfangen. Für ein kleines Land ist das doch eine beachtliche Bandbreite und ich freue mich, daß diese Art von Literatur nicht mit unserer Generation aufgehört hat.

Marion Hussong führte dieses Gespräch mit Milo Dor im Sommer 1998 in Wien



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