Esther Dischereit
Mit Ehrlichkeit geschlagen zum Tode von Jürgen Fuchs Jürgen Fuchs ist tot. Mir ist, als hätten sie ihn damals nicht geschafft kleinzukriegen, aber doch schließlich doch getötet. Sie, die Stasi, die Zersetzungskörper gegen den Mann. Isotope unter den Stuhl kleben, las ich neulich, sei ein Kampfmittel der russischen Mafia. Jürgen Fuchs war Schriftsteller und Bürger, sozusagen aus Passion geworden. Nachdem er einstmals Marxist gewesen, hat er sich abgewendet. Die Nationale Volksarmee hatte dem Gläubigen die Augen geöffnet. Er hat dann eine Entscheidung getroffen, wollte das Menschliche, wie er manchmal sagte, und das Menschliche war für ihn das Politische. So verstand er sein Schreiben als Spiegel nach innen und außen, und das Außen war ihm die Gesellschaft, das Plurale Kann doch jeder sagen, was er denkt. Sprich doch, sagte er häufig. Er haßte nichts mehr wie Totschweigen, Zumauern, Strukturen folgen und Mechanismen einhalten, wenn ich mal solch ein Sammelsurium an diesen Machtwörtern zusammenstellen darf. Er verlangte von sich eine Übereinstimmung zwischen seinem Schreiben, Denken und Handeln. Er spaltete sich nicht in ein schreibendes Ich und ein sonstiges, was ihm zuletzt im Zusammenhang mit dem Roman Magdalena den Vorwurf eingebracht hatte, er sei sein eigener psychiatrischer Fall. Mit solcherlei Geschmacklosigkeiten hatte er sich andauernd herumzuschlagen, er, der selbst Psychologe war mit den Stasi-Kumpels studiert hatte, die dann ihre berufliche Identität in der Firma gefunden; und in der Skrupellosigkeit gegen ihn und andere. Jürgen Fuchs tat auch häufiger Dinge, die nicht opportun waren spuckte in eigene Nester. Man kann nicht sagen, daß er das gerne tat, glaube ich nicht. Aber die Dinge quälten ihn so lange, daß er nicht anders konnte. Er war gewissermassen mit einer fanatischen Zustandsehrlichkeit geschlagen. Das schuf ihm Feinde, manche fühlten sich genervt diese ewig authentische Stimme... Ja und jetzt fehlt sie, jetzt fehlt sie und hat uns in ihrer Unabhängigkeit oft angestoßen, aufmerksam gemacht, bewegt und irgendwie fühlte man sich gut, sozusagen demokratisch gut, zu wissen, daß es ihn gab. Sein politisches Engagement hat immer wieder Folgen gehabt auch für die Bewertung seiner Literatur, die nicht selten mit Häme überzogen wurde, wenn es doch eher um die politische Differenz gegangen wäre. Natürlich hat er das gewußt, aber seine anderen, seine politischen Leben nicht lassen können und wollen. Wer hat die Wende in der DDR gemacht? Niemand, würde er sagen, hat sie gemacht, aber doch hat er mit seinem literarischen und politischen Schaffen zu jener kleinen Gruppe ostdeutscher Dissidenten gehört, deren Existenz über Jahre hinweg eine große Ermutigung für die Menschen gewesen ist. Und noch was er ist einer, von denen gewesen, denen es mit dem (unfreiwilligen, nach Haft abgeschobenen) Eintritt in den Westen nicht die Sprache verschlagen hat. Auch hier blieb er rebellisch, aufmerksam. Es war kein Mann, der Systeme wechselte und dann zugehörte. Er kannte eigentlich nur eine Instanz, das war sein Gewissen und Freunde. Das klingt pathetisch. Ist es auch. Denn er war außerdem notorisch bescheiden. Auf dem Weg zum Briefkasten / Sah ich zwei große Hunde / Auf den Rücksitz / Eines Autos springen / Sie bellten nicht / Sie saßen sofort still / Ich ging weiter / Als sei nichts geschehen. Wahrscheinlich hätte er auch lieber über einen Aschenbecher geschrieben als über die Staatssicherheit. Aber er fühlte sich verpflichtet, um seiner selbst willen und um der Opfer willen, für die er sich auch als Stimme verstand. Für die Namenlosen, für die, deren Geschichte nicht öffentlich werden wird und die darum ohne Anteilnahme bleiben würden. Und wie ist es, wenn man nicht stark ist, wenn man mutlos ist und verzweifelt, erniedrigt? Er war schonungslos auch gegen sich selbst. Und voller Respekt gegen die, denen gegenüber ihm seine eigenen Erlebnisse schon fast unbedeutend vorkommen wollten, wie ich ihn in einem Gespräch über die Leiden der Leute in Südafrika einmal hatte sagen hören. Er schrieb politisch, ohne einen politischen Auftrag zu erfüllen. Er hätte auch keinen angenommen. Er war eben so. In gewissem Sinne waren seine Interventionen auch anmaßend, nicht wahr? Hielt er nicht seinen Finger hoch gegen die, die Vergessen predigten und die Seilschaften von gestern umarmten? Es war ihm egal, wie hochrangig der Vertreter geworden und Partei und hin und her. Es wirkte manchmal penetrant, wie er so Recht haben mußte. Und ich sage Ihnen, er hatte beschissen oft recht. |